Hochmoselübergang: Die größte Baustelle des Landes

Der Hochmoselübergang ist das derzeit größte Verkehrsinfrastrukturprojekt des Landes Rheinland-Pfalz. Bis zum Jahr 2016 soll die Brücke bei Zeltingen-Rachtig über die Mosel geschlagen und damit eine Verbindung zwischen Hunsrück und Eifel sowie Benelux und Rheinland-Pfalz geschaffen sein. Das Projekt nimmt mit zunehmender Bauzeit immer gigantischere Züge an.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Wie eine ausgestreckte Zunge ragt hoch über Rachtig der erste Vorschub der Brücke in die Luft. Im Taktschiebeverfahren wird die Stahlkonstruktion Stück für Stück vorangeschoben. 90 Meter schwebt die erste große Stahlplatte derzeit über dem Tal. Diese Zunge ist noch etwa 27 Meter vom ersten Pfeiler entfernt. Für Statiker und Bautechniker ist die etwa 5000 Tonnen schwere, etwas „hängende“ Zunge ein Genuss, während die Neigung auf den Laien fast bedrohlich wirkt. „Der anfängliche Baubereich ist der, der am stabilsten sein muss, denn er wird am meisten belastet“, erklärt Bernd Hölzgen, technischer Geschäftsführer des Landesbetriebs Mobilität (LBM), „ingenieurtechnisch ist es ein Highlight, die Neigung ist ganz genau einberechnet.“ Hölzgen sitzt im „Hunsrückzimmer“ des großen Baucontainers, der nahe der Hunsrücker Hangkante neben der Brücke steht, und erläutert mit weiteren Fachleuten den Fortgang der Arbeiten an der Baustelle.

„Dei Brücke ist sicher“

Drei Großunternehmen aus Deutschland und Frankreich sind im Auftrag des Bundes an dem Brückenprojekt beteiligt. Bislang hat der Berliner Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba vor allem viel davon gehört, dass es eine politische Diskussion über den sogenannten Rutschhang auf der Eifel-Seite und einen langen Streit über geologische Expertisen gegeben hat. An diesem strahlenden Julivormittag ist Bomba für sein Bundesministerium selbst einmal vor Ort, um zu sehen, was hier geschieht. „Eins ist klar“, versichert ihm sein CDU-Parteifreund, der Landtagsabgeordnete Alexander Licht, „die Brücke ist sicher“. Ulf Hangert, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, bekräftigt: „Und damit muss die Diskussion auch beendet sein.“ Bomba hört aufmerksam zu, wie Hölzgen und dessen LBM-Kollegen über den Bau berichten. „Hier wurden Probleme auch herbeigeredet“, resümiert Bomba, „wichtig ist, dass die Region hinter dem Projekt steht.“

Das Projekt ist unter vielen Gesichtspunkten eine Herausforderung. 950 Stahlteile müssen für den Bau der Brücke mit Schwerlasttransportern zur Baustelle gebracht werden. Aus Werken in Hannover und dem französischen Lauterbourg kommen 80 bis 90 Tonnen schwere Einzelteile in den Hunsrück. Mit einem Ladekran werden diese in den Montagebereich gehoben und hier zu einem neuen Brückenteil zusammengeschweißt – die Rede ist von sogenannten Schüssen, die je 25 Meter lang sind. Nach und nach werden diese Schüsse fertiggestellt, mit einem Korrosionsschutz versehen und dann an die „Zunge“ angefügt. So entsteht die insgesamt 1700 Meter lange Brücke, die sich langsam weiter ins Tal schieben wird. Bis das Bauwerk fertig ist, müssen 82 Schüsse zusammengeschweißt und in 13 Verschiebeeinheiten über die Mosel gedrückt sein. Bis dahin geht es im 300 Meter langen Montagebereich hoch oben über dem Moseltal zu wie in einer Schiffswerft.

Baustelle zieht Touristen an

In luftiger Höhe von 160 Metern wird der Hochmoselübergang einmal das Tal überbrücken. Als die Abordnung um Bomba und den Parlamentarischen Staatssekretär Peter Bleser das Bauwerk in Augenschein nimmt, taucht in der Baustellenzufahrt plötzlich ein Reisebus auf. Der Bus mit niederländischem Kennzeichen stoppt erst, als er vor dem Kran im Montagebereich stehen bleibt. „Das kommt öfter mal vor“, sagt ein Bauarbeiter lächelnd. Offensichtlich freuen sich nicht nur die Regionen Hunsrück und Eifel darauf, dass der 25 Kilometer lange Lückenschluss „B 50 neu“ ab 2016 das Rhein-Main-Gebiet über eine Fernstraße mit Belgien und den Niederlanden verbinden wird.

Beim Blick von der sich ins Tal neigenden Stahlzunge wirkt das gegenüberliegende Höhenplateau neben berühmten Weinlagen wie dem Ürziger Würzgarten zwar noch ein gutes Stück entfernt, aber die Brücke wächst stetig. Vier der zehn Stützpfeiler sind nahezu vollendet, an den anderen arbeitet ein 25 Mann starker Bautrupp täglich – nur an Ostern und Weihnachten ruhen die Betonarbeiten.

Stimmung ist ruhig

Oben auf der Stahlzunge weht der Wind friedlich über die Höhe. Unten im Tal an der Kapelle am Platz der „Alt Kirch“ von Rachtig trägt dieser Wind dagegen typische Baustellengeräusche herüber: von den Bewegungen der riesigen Kräne, vom Hämmern und Klopfen. Neugierig schauen Wanderer und Radfahrer von der Moselerlebnisroute in die Höhe, während der Protest in Zeltingen-Rachtig in einer gewissen Lethargie zu verharren scheint. „Das Naherholungsgebiet auf der Höhe ist zerschnitten und stark belastet“, sagt Bürgermeister Manfred Kappes. Die Stimmung in der 2500-Einwohner-Gemeinde sei momentan aber ruhig. Letztlich verhält es sich mit dem Protest ähnlich wie mit der Baustelle insgesamt. „Die Zeit, bis es bei solch einem Bauwerk losgeht, ist immer die kritischste“, sagt Bernd Hölzgen vom LBM. Diese Phase scheint beim Hochmoselübergang abgeschlossen zu sein.

Volker Boch