Gipfeltreffen in Paris: Wie die Welt das Klima retten will

Kraftwerk in Tianjin
Kraftwerk in Tianjin: China stößt weltweit mit Abstand am meisten Treibhausgase aus. Foto:  How Hwee Young/Archiv

Barbara Hendricks freut sich, dass sie wie geplant mit dem Sonderzug der Bahn nach Paris fahren kann. „Ich bin froh, dass die französische Regierung die Klimakonferenz nicht abgesagt hat“, sagt die Bundesumweltministerin. Frankreich und vor allem Paris befinden sich nach den Terroranschlägen vom 13. November im Ausnahmezustand, es herrscht die höchste Sicherheitsstufe. Dennoch hatte die französische Regierung schon kurz nach den Anschlägen entschieden, die Weltklimakonferenz mit ihren 40.000 Teilnehmern aus 195 Ländern nicht ausfallen zu lassen.

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Mit diesem beeindruckenden Auftakt will die französische Regierung dem Konferenzverlauf den entscheidenden Schub verleihen. Am Ende soll die Weltgemeinschaft einen neuen Weltklimavertrag vereinbaren, in dem sich alle Unterzeichner verpflichten, den Ausstoß gefährlicher Treibhausgase bis 2050 drastisch zu verringern. Gemeinsames Ziel ist, die Erderwärmung im Vergleich zur Zeit vor 1900 auf 2 Grad zu begrenzen.

Optimistisch stimmt die deutsche Chefunterhändlerin Barbara Hendricks und viele andere vor der Konferenz, dass anders als vor früheren Konferenzen diesmal schon 177 Staaten eigene Konzepte vorgelegt haben, was sie selbst beitragen wollen, damit das 2-Grad-Ziel erreicht werden kann. Doch Wissenschaftler haben errechnet, dass diese Zusagen bei Weitem noch nicht ausreichen. Sie taugen allenfalls, die Erderwärmung bis 2050 auf 2,7 Grad einzudämmen, hat etwa das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung errechnet. Andere Experten halten einen Temperaturanstieg um bis zu 3,4 Grad für möglich – trotz aller Klimaschutzversprechen.

Um das zu verhindern, dringen die Bundesregierung und etliche Teilnehmer darauf, in Paris eine überprüfbare Strategie zur CO2-Reduzierung zu vereinbaren. Im Abschlussdokument soll sich die Weltgemeinschaft zur „Dekarbonisierung“ in diesem Jahrhundert bekennen, also zum kompletten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl. Es gehe um nichts weniger als eine „grundlegende Transformation der Weltwirtschaft“, hieß es in Regierungskreisen. Aus Sicht vieler Klimaschützer käme der weltweite Kohleausstieg im Jahr 2100 aber zu spät, sie wünschen sich stattdessen schon 2050 als Zieldatum.

Möglichst solle alle fünf Jahre überprüft werden, ob die einzelnen Staaten ihren Selbstverpflichtungen nachkommen, sagt Hendricks. Manche Länder wollten hier lieber einen zehnjährigen Zyklus. In Paris müsse unbedingt geklärt werden, wie der verbindliche Überprüfungsmechanismus konkret aussehen soll, wie Fortschritte dokumentiert würden und wer überhaupt die Kontrolle darüber innehaben solle.

Um ärmere Länder mitzunehmen, sollen die Industrieländer versprechen, dass sie ansteigend bis 2020 zusammen jährlich 100 Milliarden Dollar bereitstellen, damit ärmere Länder aus diesem Fonds Klimaschutzinvestitionen bezahlen können. Derzeit gebe es bereits Zusagen für 85 bis 90 Milliarden Dollar, hieß es in Berlin. Man sei zuversichtlich, auch noch den letzten Rest in Paris zusammenzubekommen. Wichtig sei allerdings, was nach 2020 passieren solle. Auch danach müsse die Summe weiter mobilisiert werden.

„Ich bin vor Paris zuversichtlicher als vor anderen Konferenzen“, sagt die frühere NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). „Erstmals können wir Ländern wie China oder Indien mit den erneuerbaren Energien eine funktionierende Alternative zu Kohle, Gas, Öl oder Atomkraft anbieten.“ Die erneuerbaren Energien seien technologisch genug gereift, um heute eine echte Alternative zu sein. Deutschland sei mit seiner Energiewende nach wie vor für viele Länder in der Welt ein Versuchslabor, hieß es in den deutschen Regierungskreisen. Nicht nur aus Sicht der Grünen leidet Deutschland vor allem in jüngster Zeit als Energiewende-Land zunehmend an Glaubwürdigkeitsverlust. Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien haben die Energieversorger in den vergangenen Jahren zunehmend billige Kohle eingesetzt. Die Folge: Der deutsche CO2-Ausstoß war kurzzeitig gestiegen, heute stagniert er. „Der Druck auf Deutschland, endlich aus der Kohle auszusteigen, ist deutlich gestiegen. Die Bundesregierung muss in Paris glaubhaft machen, dass wir das spätestens in 20 bis 25 Jahren hinkriegen wollen“, sagte Höhn. Hendricks hatte in dieser Woche einen entsprechenden Vorstoß gewagt und im Alleingang angekündigt, Deutschland wolle schon in „20 bis 25 Jahren“ aus der Kohle ausgestiegen sein. In der Bundesregierung gab es dazu keinen Kommentar. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hielt sich bedeckt, auch das Kanzleramt wollte sich nicht hinter Hendricks stellen.

Birgit Marschall