Plaidt

Geldnot im Schweinestall: Schwierige Phase für Landwirte

Blick in einen der größten Schweinemastbetriebe im nördlichen Rheinland-Pfalz: 2000 Tiere hat Landwirt Ralf Hickmann im Bestand. Momentan durchlebt er eine schwierige Phase - wie die gesamte Branche.
Blick in einen der größten Schweinemastbetriebe im nördlichen Rheinland-Pfalz: 2000 Tiere hat Landwirt Ralf Hickmann im Bestand. Momentan durchlebt er eine schwierige Phase - wie die gesamte Branche. Foto: Sascha Ditscher

Als seine Frau ihm mitteilt, dass er gerade 3500 Euro verloren hat, schaut Ralf Hickmann kurz auf und wirft ihr einen Blick zu. Dann zuckt er mit den Schultern. Kein Grund zur Freude, aber auch keiner, sich gleich aufzuregen. Um 4 Cent hat der Schweinepreis nachgegeben. Bei 2000 Tieren, wie Hickmann sie in Ställen in Plaidt und Lonnig nördlich von Koblenz hält, summiert sich das.

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Von unserem Reporter Robin Brand

Ralf Hickmann hat sich daran gewöhnt. Der Markt diktiert den Preis, und daran kann er nichts ändern. „Irgendwann muss ich verkaufen. Ich kann die Schweine ja nicht horten“, sagt er. Das sind die Zwänge seiner Branche. 2013 lag der Kilopreis noch bei fast 2 Euro, momentan sind es 1,28 Euro.

Von 32 Landwirten ist nur einer übrig

Ralf Hickmann führt in fünfter Generation einen der mittlerweile größten Schweinemastbetriebe im nördlichen Rheinland-Pfalz. Noch als sein Vater Peter den Laden schmiss, war er einer unter vielen. 1966 gab es 32 Landwirte in Plaidt, erinnert sich der Senior, heute ist sein Sohn der letzte Schweinewirt im Dorf – und hat trotzdem keinen Grund zum Feiern: Der Preisdruck ist enorm, das Russland-Embargo und die Diskussion um Antibiotika in der Tierhaltung tun ihr Übriges. „Gerade ist die schlechteste Phase, die ich je hatte, um Schweine zu mästen“, sagt Ralf Hickmann.

Angefangen hat die Geschichte des Betriebs, „als irgendein Hickmann als Schmied vom Hunsrück runterkam und dann Landwirt wurde“, wie Peter Hickmann es mit einer wegwerfenden Geste ausdrückt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dürfte das gewesen sein, glaubt er. Damals, als noch so manches Hausschwein im Freien wühlen durfte, als Landwirte noch von Herden mit weniger als 1000 Tieren leben konnten.

Heute fühlt sich Ralf Hickmann in die Ecke gedrängt. Die bundesweite Berichterstattung über die Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime und die Rolle, die die Landwirtschaft dabei einnimmt, „haben mich geschockt“ sagt er. Damit steht er nicht allein da. Die Landwirte gingen kollektiv in den Gegenangriff über, fanden Studien, die der Humanmedizin die Hauptschuld an der Ausbreitung der „Killerkeime“ geben, und versuchte so, den 1700 Tonnen Antibiotika, die jährlich in der Tiermedizin in Deutschland verabreicht werden, das Gewicht zu nehmen.

Ralf Hickmann, Landwirt
Ralf Hickmann, Landwirt
Foto: Sascha Ditscher

Ein wenig außerhalb von Plaidt: Hier befindet sich einer der beiden Höfe von Ralf Hickmann. Grüne Fermenter dominieren das Bild, in den großen kuppelförmigen Garbehältern erzeugt Hickmann mit der Gülle seiner Tiere Biogas, ein Mitarbeiter säubert mit einem Hochdruckreiniger einen Hänger. Auf den ersten Blick deutet wenig darauf hin, dass sich die Biogasanlage das Gelände mit 1000 Mastschweinen teilt.

0,85 Quadratmeter Platz für 120 Kilogramm Schwein

Ein gedrungener Ziegelsteinbau ist für dreieinhalb Monate das Zuhause der Schweine. Bevor Hickmann den Stall betritt, zieht er sich einen blauen Overall über und Gummistiefel an. Im Vorraum befindet sich ein verstaubter Computerarbeitsplatz, dahinter führt ein kalter Gang an Getreidesilos – für die automatisierte Fütterung – vorbei in das feucht-warme Innere. In sieben Räume mit je vier Buchten ist der Stall unterteilt. In jeder der 35 Quadratmeter großen Buchten tummeln sich 40 Schweine, Millimeterarbeit an der Grenze der vorgeschriebenen 0,85 Quadratmeter pro Tier.

Zwischen zwei und drei Monate sind die Ferkel alt, die Hickmann kauft. Bis sie circa ein halbes Jahr alt sind, werden sie auf 120 Kilo gemästet. Etwa 50 Milliliter Antibiotika braucht Hickmann für seinen gesamten Bestand. „Heute behandeln wir die Tiere gezielt“, erklärt er den Ablauf in seinem Betrieb, deswegen der geringe Verbrauch. Antibiotika in der Tränke schreibt er der Vergangenheit zu, als die Ställe noch dunkle Löcher waren, ein Großteil der Tiere Husten hatte oder Durchfall. So gut wie heute hatten es die Tiere dagegen nie, findet Hickmann. Licht, Wärme und Futter sorgen für gesunde Schweine. „Natürlich gibt es auch schwarze Schafe“, sagt Hickmann. „Wo nicht?“

Erst ab 2000 Tieren rechnet sich die Schweinemast

Im Stall beäugen ihn einige der Schweine aus sicherer Entfernung, die mutigen recken ihm ihre neugierigen Rüssel entgegen, andere ergreifen eilig die Flucht, und purzeln übereinander, fallen hart auf den nackten Holzboden. Hickmann greift sich einen der interessierten Rüssel. „Da, feucht“, sagt er zufrieden, ein Zeichen für Gesundheit. Einmal habe er seinen Stall mit Stroh auslegen wollen, erzählt er. Aber den Mehrpreis wollten die Leute nicht bezahlen. „Es ist unmoralisch, wie billig Lebensmittel sind“, sagt Hickmann.

Etwa 5 Euro Gewinn macht er pro Schwein. „Das lohnt sich erst ab 2000 bis 3000 Tieren. Das ist die Krux.“ Um kostendeckend arbeiten zu können, erzeugt Hickmann mit der Biogasanlage aus den Abfallprodukten der Schweinehaltung Strom. Mit der Abwärme der Anlage heizt er den Stall. Über 20 Jahre schreibt er die Investition ab.

Viele Landwirte, die nicht investiert haben, gibt es nicht mehr, Hickmann dagegen konnte seinen Betrieb vergrößern. Doch das Versprechen, dass mit der Größe auch der Profit kommt, erwies sich als Trugschluss. Stattdessen reagieren die Konsumenten auf die großen Mastanlagen mit Argwohn. „Früher gab es 1000 Schweine im Dorf, verteilt auf die Landwirte. Jetzt gibt es einen Bauern und immer noch 1000 Tiere, und es heißt Massentierhaltung“, sagt Hickmann. Hoffnung, dass sich die Lage bald entspannt, haben die wenigsten Landwirte: Der Schweinepreis fällt weiter.