Rheinland-Pfalz

Flüchtlingscamps im Freien soll es nicht mehr geben

Diese Flüchtlinge mussten in Trier noch auf Matratzen im Freien übernachten. In Zukunft soll es solche Bilder nicht mehr geben. Das verspricht zumindest das Integrationsministerium.
Diese Flüchtlinge mussten in Trier noch auf Matratzen im Freien übernachten. In Zukunft soll es solche Bilder nicht mehr geben. Das verspricht zumindest das Integrationsministerium. Foto: Friedemann Vetter

Zum Wochenende scheint sich die dramatische Lage in den über Tage hoffnungslos überfüllten Erstaufnahmeunterkünften von Trier etwas zu entspannen. Die eiligst auch von vielen Ehrenamtlichen geschaffenen Notunterkünfte auf dem Flughafen Hahn, in Hermeskeil und in Ingelheim stehen bereit. Pendelbusse bringen teils verängstigte Menschen von Trier zu den neuen Zeltlagern und Containern, damit sie nicht mehr draußen campieren müssen.

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Von unseren Reportern

Diese Flüchtlinge mussten in Trier noch auf Matratzen im Freien übernachten. In Zukunft soll es solche Bilder nicht mehr geben. Das verspricht zumindest das Integrationsministerium.

Friedemann Vetter

Flüchtlinge haben nach ihrer Ankunft in Trier die Nacht im Freien verbringen müssen, weil in den Einrichtungen zur Erstaufnahme (AfA) keine Betten mehr verfügbar waren.

Friedemann Vetter

Die für die Erstaufnahme zuständige Landesregierung bemüht sich um eine kurzfristige Erweiterung der Kapazitäten.

Friedemann Vetter

In Kürze stünden 950 weitere Plätze zur Verfügung, sagte die Sprecherin.

Friedemann Vetter

Nach Medienberichten mussten die Schutz suchenden Menschen ihren Schlafplatz in einem Park oder auf dem Boden in der Umgebung des Afa-Geländes einrichten.

Friedemann Vetter

Die Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Trier ist überfüllt. Viele Menschen müssen draussen schlafen, oder suchen sich irgendwo einen Schlafplatz

Friedemann Vetter (TV)

Zuletzt wegen unwürdiger Unterbringung in der Kritik: Die AfA in Trier platzt aus allen Nähten – nun wurde eine Frau tödlich verletzt

Friedemann Vetter

Hermeskeil: Madlen (17) läuft mit ihren beiden kleinen Cousins und ihrer Cousine in die ehemalige Turnhalle der Ex-Hochwaldkaserne. Ganz hinten in dem großen Raum stehen Zelte. In einem sind Regale aufgebaut, gefüllt mit Schuhen. Von denen suchen sich die Kinder jeweils ein Paar aus. In einem anderen Zelt gibt es Spielsachen. Besonders das Kindertretauto gefällt den Jungen. Ihre Augen strahlen. Sie strahlen auch, weil sie in Sicherheit sind. Raus aus Syrien. Weg vom Krieg. Mit ihren Eltern sind die drei Geschwister geflohen, über die Türkei und Griechenland nach Deutschland. Wie ihre große Cousine Madlen vor zwei Jahren. „In Syrien war es sehr schlimm. Viele meiner Freunde sind gestorben“, sagt die 17-Jährige. Und das Lächeln verschwindet bei den Gedanken an die Bomben für einen Augenblick. Madlen, die heute in Cochem lebt, kam nach ihrer Flucht auch nach Trier, sie spricht gut Deutsch und hat ihre Verwandten nach Hermeskeil begleitet. Sie gehören zu den ersten der 375 Menschen, die in dem Behelfsquartier der Ex-Hochwaldkaserne in Hermeskeil unterkommen. Die Zelte sollen eine Übergangslösung sein, bis voraussichtlich am 1. November die neue Aufnahmeeinrichtung eröffnet, die Trier langfristig entlasten soll. In den ehemaligen Kasernenblocks soll es Platz für 750 Menschen geben.

Gerade fährt ein Kleinbus auf das Gelände. Einige Männer steigen aus. Ihnen sind die Strapazen anzusehen. Ein Mitarbeiter läuft zu ihnen. „Welcome, Bienvenue“, spricht er sie auf Englisch und Französisch an, erklärt ihnen in ruhigem Ton, dass sie sich zunächst registrieren lassen müssen. Name, Geburtsdatum, Herkunftsland. Danach erhalten sie Kissen, Decken und Bettbezüge. Dicht an dicht stehen die Doppelstockbetten.

„Die Flüchtlinge bleiben vier bis sechs Wochen hier“, sagt Stefan Ding, der künftige Leiter der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) Hermeskeil. Das Deutsche Rote Kreuz hat an der Notunterkunft auf dem Kasernengelände eine Kleiderkammer eingerichtet. Denn die Flüchtlinge sind auf Kleider- und Sachspenden angewiesen. Freiwillig und ehrenamtlich ist auch Laura Becker vom DRK-Ortsverein Hochwald im Einsatz. In der Turnhalle teilt sie das Mittagessen aus. „Ich bin hier, weil die Leute mir leidtun. Ich werde auch sicher öfter hier sein, so oft es meine Arbeit zulässt.“ Mit Arbeit vertreiben sich auch einige Männer aus Eritrea, Syrien und der Zentralafrikanischen Republik die Zeit. Sie tragen Warnwesten und Handschuhe. Sie helfen den Mitarbeitern des DRK und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, räumen Müll weg, tragen benötigte Materialien auf den Platz und in die Halle. Alles scheint besser, als nichts zu tun und über das Erlebte, Krieg, die Flucht nachzudenken.

Trier: Rund um die Erstaufnahmeeinrichtung campierten auch in der Nacht zum Freitag noch etwa 50 Menschen im Freien, suchten Schutz unter Planen oder Gebäudevorsprüngen, als der Regen einsetzte. Das berichtete der SWR. Wie die Sprecherin des Integrationsministeriums, Astrid Eriksson, auf Anfrage erklärte, wollten sie nicht wie 166 andere Flüchtlinge in die Busse nach Hermeskeil einsteigen. Sie hatten offenbar die Furcht, im Hunsrück vom Asylverfahren abgehängt zu sein. Diese unberechtigten Ängste wollte man ihnen offenbar am Freitag nehmen. Denn schließlich spielt es ja keine Rolle im Asylverfahren, „aus welchem Aufnahmelager die Flüchtlinge kommen“. Jedenfalls soll es in Trier keine Bilder mehr von Menschen geben, die draußen schlafen müssen. Wie Eriksson am Freitag erklärte, werden fürs Freie keine Matratzen und Decken mehr ausgegeben. „Für jeden Flüchtling gibt es jetzt ein Bett“, sagt sie.

„Unsere Leute arbeiten rund um die Uhr, aber es lässt sich nicht alles von heute auf morgen bewältigen. Wir haben derzeit eine Situation, wo pro Tag etwa 200 Menschen zusätzlich zu uns kommen“, sagte Integrationsstaatssekretärin Margit Gottstein (Grüne). Sie gab sich am Freitag angesichts 1000 neuer Plätze zuversichtlich, dass es am Wochenende nicht zu weiteren Engpässen komme. Dann folgte die obligatorische Forderung an Berlin: „Wir brauchen endlich Zahlen. Der Bund muss endlich seine Prognose vorlegen, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr kommen.“ Dabei spüren auch die Länder in ihren überfüllten Unterkünften, wie sich die Zahlen entwickeln – rasant nach oben.

Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) brach ihren Urlaub am Freitag zwar etwas früher als geplant ab, kündigte dann aber nicht an, dass sie sich nächste Woche sofort einen Überblick verschaffen will. Stattdessen ließ sie als Erstes darauf hinweisen, dass sie mit Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) ein Autohaus in Kaiserslautern besucht, das Flüchtlinge ausbildet.

Hahn: Auf dem Gelände des Hunsrück-Flughafens sind am Freitag auch erste Flüchtlinge angekommen. Hier stehen 575 Plätze bereit – 200 in der Sporthalle der Landespolizeischule und je 125 in drei Großraumzelten, die nach und nach belegt werden sollen. Wie in Hermeskeil hat das DRK auch hier in einem Kraftakt die Zeltunterkünfte unterhalb des ehemaligen US-Supermarktes aufgebaut. Es stehen drei große Schlafzelte, ein Aufenthaltszelt von 20 mal 15 Meter Fläche, daneben noch ein „Speiseraum“ sowie zwei Pagodenzelte für die Kinderbetreuung. Vor den Zelten sind mehrere Sanitärcontainer zu finden, die mit Toiletten, Duschen und Waschmaschinen ausgestattet sind. Ein großer Zaun umgibt das Gelände. Der Sichtschutz soll Gaffer abhalten. Das Technische Hilfswerk baut übergangsweise eine Wasserversorgung auf, bis die Leitung auf dem Hahn vom Gesundheitsamt freigegeben wird.