Rheinland-Pfalz

Elterntaxi: Gut gemeint, aber problematisch

Morgens 7.30 Uhr. Vor der Schenkendorf-Grundschule in Koblenz ist es ruhig. Eine Frau führt ihren Terrier Gassi. Sonst passiert nichts. Nur Minuten später hat sich das schlagartig geändert. Hinter den Fenstern der Grundschule ist das Licht angegangen.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Von unserer Redakteurin Angela Kauer

Auf der Straße vor den Fenstern beginnt es zu wuseln: Kinder kommen mit dem Fahrrad an. Andere flitzen über den Zebrastreifen. Und dann sind da noch die vielen Autos. Sie nutzen jede sich bietende Parklücke oder halten einfach auf der Straße an. Die Türen gehen auf, Mütter oder Väter verabschieden sich hektisch von ihrem Nachwuchs, andere Kinder schieben sich an den Autos vorbei. Ganz schön gefährlich wirkt dieser Trubel.

Mag sein, dass die hohe Dichte an „Elterntaxis“ der Tatsache geschuldet ist, dass es ausgerechnet an diesem Morgen regnet. Wahrscheinlich zeigt sich hier aber auch ein allgemeiner Trend: Immer mehr Eltern fahren ihre Kinder zur Schule, statt sie zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren zu lassen. Herbert Fuss, Verkehrssicherheitsexperte des ADAC, kann da nur mit dem Kopf schütteln. „Ich kann schon verstehen, dass Eltern wollen, dass ihre Kinder so sicher wie möglich zur Schule kommen“, sagt er.

Gerade das Elterntaxi ist da aus seiner Sicht aber die schlechteste Wahl. Zum einen, weil die vielen Autos vor der Schule andere Kinder in Gefahr bringen können. Zum anderen, weil auch das Mitfahren im Auto nicht wirklich sicher ist. Nach Zahlen der Unfallkasse Rheinland-Pfalz sind 2012 im Land 5482 Unfälle auf Schulwegen passiert. Das sind zwar 532 weniger als im Vorjahr – aber immer noch zu viele, sagen die Experten. Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes verunglücken 36 Prozent der 10- bis 15-Jährigen als Mitfahrer im Auto.

Als Radfahrer verunglücken 34 Prozent, als Fußgänger 26 Prozent. Für Fuss ist deshalb klar: „Mitfahren ist nicht sicherer, als zu Fuß zu gehen.“ Die Kinder müssten vielmehr lernen, den Schulweg allein zu meistern. Wenn nach den Sommerferien für rund 30 000 kleine Rheinland-Pfälzer die Schule beginnt, müssen Eltern sie daher vorbereiten. Mit dem Üben anfangen sollten die Familien am besten einige Wochen vor Schulbeginn – also spätestens jetzt.

„Für das erste Mal sucht man sich am besten einen Samstag aus, wenn nicht so viel Verkehr ist“, rät der ADAC-Experte Fuss. Dann sollten die Kinder den Weg aber auch unter „Realbedingungen“ morgens im Berufsverkehr abgehen. Am Anfang geht es darum, die richtige Route zu finden. „Der kürzeste Weg ist nicht immer der sicherste“, erläutert Fuss. Wichtig findet er es, die Route gemeinsam mit dem Kind auszusuchen.

„Das Kind soll das Gefühl haben: ,Das ist mein Schulweg' und auch einen gewissen Stolz entwickeln“, sagt er. An vielen Schulen gibt es außerdem Schulwegpläne, auf denen die sichersten Wege, aber auch die größten Gefahrenpunkte eingezeichnet sind. Ein solcher Plan entbindet die Eltern aber nicht davon, dem Kind die Gefahren wie zum Beispiel unübersichtliche Stellen oder Ausfahrten zu veranschaulichen.

Das sollte möglichst nicht von oben herab passieren, sondern auf Augenhöhe, sagt Fuss und meint das auch im Wortsinn: „Es ist tatsächlich sinnvoll, in die Knie zu gehen, wenn ich dem Kind etwas erkläre, auch, weil ich dann sehe, was es sieht.“ Die Mülltonne, die der Erwachsene ohne Probleme überblickt, kann einem Kind die komplette Sicht verdecken. Am meisten üben müssen Kinder das Überqueren der Straßen.

„Das lässt sich wunderbar in den Alltag integrieren“, meint Fuss. Auf dem Weg zum Supermarkt oder ins Schwimmbad sollten Eltern den Nachwuchs ruhig einmal vorangehen und einschätzen lassen, wann der richtige Zeitpunkt ist, über die Straße zu gehen. Für den Schulweg selbst suchen Eltern dann am besten eine Stelle zum Überqueren der Straße aus, wo es eine Ampel, einen Zebrastreifen oder eine Verkehrsinsel gibt. „Einschärfen muss man den Kindern aber, dass sich nicht immer alle Verkehrsteilnehmer so verhalten, wie sie es erwarten“, erklärt Fuss. Heißt: Auch am Zebrastreifen müssen die Kinder rechts und links schauen, weil sie damit rechnen müssen, dass nicht jedes Auto stehen bleibt.

Üben könne man auch spontane Situationen. „Was ist eigentlich, wenn auf der anderen Straße plötzlich ein Freund auftaucht?“, gibt Fuss ein Beispiel. Nach einiger Zeit steht dann ein Rollentausch an: Das Kind führt den Erwachsenen und erklärt, worauf es auf dem Schulweg achten muss. Das viele Üben, sagt Fuss, hilft letztlich auch den Eltern loszulassen: „Wenn ich sehe, dass mein Kind das gut hinbekommt und sich an Absprachen hält, fällt es mir als Elternteil leichter, es ziehen zu lassen“, meint der Verkehrsexperte. Das Elterntaxi bis zum Schultor ist dann vielleicht gar nicht mehr nötig.