Berlin

Eine spektakuläre Baustelle: Das Volk erobert das Berliner Schloss

Es soll ein Schloss für die Bürger werden im kulturellen und politischen Herzen Berlins: Am Wochenende haben viele Bürger sich den Rohbau des Humboldt-Forums erstmals von innen angesehen. Viele waren begeistert.
Es soll ein Schloss für die Bürger werden im kulturellen und politischen Herzen Berlins: Am Wochenende haben viele Bürger sich den Rohbau des Humboldt-Forums erstmals von innen angesehen. Viele waren begeistert. Foto: dpa

Mitten in Berlin befindet sich eine der spektakulärsten Baustellen der Republik. Und mittendrin im Rohbau der Rekonstruktion des früheren Berliner Schlosses steht ein 85-jähriger Herr aus Sachsen und strahlt.

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Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann

Zum Richtfest hat das sogenannte Humboldt-Forum, das das neue kulturelle Herz der Hauptstadt werden soll, die Baustelle erstmals für Besucher geöffnet. Zehntausende Neugierige strömen durch das 184 lange und 117 Meter breite Gebäude, das gigantisch anmutet im sonst eher nicht protzig auftretenden Berlin. „Ich möchte meinen Kaiser Wilhelm wiederhaben“, scherzt der 85-Jährige.

Der Mann aus Sachsen hat mehrere Stunden Fahrt auf sich genommen, um das Schloss im Werden zu sehen. Für mehr als 500 Jahre war es Sitz der brandenburgischen Kurfürsten, der preußischen Könige, später der deutschen Kaiser. Als Kunstwerk galten die von Architekt Andreas Schlüter im 18. Jahrhundert erbauten Barockfassaden.

Vom Zweiten Weltkrieg zu „Erichs Lampenladen“

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren vom Original nach zahlreichen Bombenangriffen aber nur noch Außenwände übrig. In einem symbolischen Akt ließ die DDR-Führung die Reste 1950 vollständig sprengen und baute sich den Palast der Republik, vom Volk in Anspielung an DDR-Staatschef Erich Honecker gern spöttisch „Erichs Lampenladen“ genannt. Die Berliner sind kreativ im Erfinden von Namen für Bauwerke. Den jetzt entstehenden Rohbau aus Beton nennen sie gern „Parkhaus der Kulturen“. Das lange Zeit umstrittene Projekt, das 600 Millionen Euro kostet, wovon der Bund den Löwenanteil trägt, hat inzwischen nicht nur in der Hauptstadt viele Anhänger.

Der 85-Jährige Sachse hat miterlebt, wie das Schloss gesprengt wurde. „Es ist hundertprozentig richtig, dass es wiederaufgebaut wird“, sagt er. Für ihn ist es auch ein symbolischer Bau nach der Wiedervereinigung. Viele Besucher sehen das so. Ingrid Reiter ist in Ostberlin aufgewachsen. „Ich fand es toll, dass der Palast der Republik abgerissen wurde. Dieser Platz ist lange missbraucht worden“, meint sie.

2019 soll der riesige Bau fertig sein und eröffnet werden. Mit dem Namen Humboldt-Forum wollte man dem Eindruck entgegentreten, dass sich hier die Demokratie ein neues Schloss errichten könnte, das nicht mehr in die Zeit passt. Die Zeit der Monarchie ist schließlich lange vorbei.

Innen modern, außen historische Fassade: Berlin erhält ein neues, altes Prunkstück gegenüber von Museumsinsel und Dom.
Innen modern, außen historische Fassade: Berlin erhält ein neues, altes Prunkstück gegenüber von Museumsinsel und Dom.
Foto: picture alliance

Beim Tag der offenen Tür gewinnt man einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten des Baus. Gleich mehrere Berliner Museen auf einmal könnten darin bequem Platz finden. Bislang ist geplant, dass das ethnologische Museum und die asiatische Sammlung, die derzeit im entlegenen Stadtteil Dahlem gezeigt werden, künftig im neuen Humboldt-Forum untergebracht werden. Auch die Humboldt-Universität und mehrere Berliner Bibliotheken wollen das Gebäude nutzen.

Es gibt viele Bürger, die sich seit Jahren für den Wiederaufbau engagieren. Am Ende haben sich diejenigen durchgesetzt, die eine historisierende Rekonstruktion des Schlosses mit seiner früheren Fassade favorisieren. Wie Winfried Henschel zum Beispiel. An diesem Sonntag steht er zwischen den großen Betonsäulen und schwärmt den Besuchern vor von dem, was hier alles entstehen wird. Er ist Mitglied des Fördervereins, der es sich zum Ziel gesetzt hat, 105 Millionen Euro für den Bau der Barockfassaden aus Spenden zusammenzutragen. „Berlin soll wieder seine historische Mitte zurückbekommen“, sagt er. Es gehe nicht darum, im 21. Jahrhundert ein Schloss zu bauen. „Es geht darum, ein Kunstwerk zu rekonstruieren“, erklärt Winfried Henschel.

Demonstranten wettern gegen hohe Kosten

Noch ist das alles schwer vorstellbar. Weil es in der Nacht zuvor stark geregnet hat, stapfen die vielen Besucher durch tiefe Pfützen durch den Rohbau. Eine erste Idee von einem Schloss erhalten sie allenfalls im Seitenflügel, der weiter fortgeschrittenen Rekonstruktion des früheren Eosander-Portals.

Es gab viele Befürworter eines Neubaus ohne historische Fassade, viele hatten auch den Palast der Republik als Denkmal erhalten oder miteinbauen wollen. Henschel und sein Verein haben sich durchgesetzt. „Ost und West waren in Berlin komplett getrennte Städte. Nach der Wende brauchten wir Konzepte der Gemeinsamkeit“, erklärt er. Für ihn ist die Rekonstruktion des Schlosses ein solches Konzept. „Wir werden hier künftig 6000 Jahre Kulturgeschichte auf der Museumsinsel zeigen können.“ Die Stimme des älteren Herrn überschlägt sich fast vor Euphorie. „Das kann doch nur begeistern.“

Am Freitag zum Richtfest hatten einige Demonstranten noch einmal gegen das Schloss gewettert. Berlin ist arm, da ist vielen ein solch teurer Prunkbau ein Dorn im Auge. Am Sonntag aber sind selbst Besucher aus ganz anderen Regionen Deutschlands überzeugt. „Das ist doch mal etwas, was in Berlin funktioniert“, meint ein Herr aus Oberfranken augenzwinkernd. Er ist der Ansicht, dass in Berlins Mitte „ein wunderschönes Ensemble“ entsteht.