Luxemburg/Rom

EU will das Sterben auf See beenden

Schauplatz des neuesten Flüchtlingsdramas: Vor Rhodos kenterte am Montag ein Schiff mit rund 200 Flüchtlingen, viele konnten sich auf Trümmerteile retten. Unter den Todesopfern war auch ein vierjähriges Kind.  Foto: dpa
Schauplatz des neuesten Flüchtlingsdramas: Vor Rhodos kenterte am Montag ein Schiff mit rund 200 Flüchtlingen, viele konnten sich auf Trümmerteile retten. Unter den Todesopfern war auch ein vierjähriges Kind. Foto: dpa

Nach den jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer will die Europäische Union die Seenothilfe massiv ausweiten. Bei einem Krisentreffen der Außen- und Innenminister am Montag in Luxemburg wurden Pläne für die Verdoppelung der Mittel für die EU-Programme „Triton“ und „Poseidon“ auf den Weg gebracht. Sie sollen den Einsatz von deutlich mehr Schiffen ermöglichen und noch am Donnerstag einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden.

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Neben der Ausweitung der Seenotrettung könnten künftig gezielt von Schleppern genutzte Schiffe beschlagnahmt und zerstört werden. Vorbild sei die militärische Anti-Piraterie-Mission „Atalanta“ am Horn von Afrika, sagte der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in Luxemburg bei der Vorstellung eines Zehnpunkteplans. „Atalanta“ begleitet nicht nur zivile Schiffe, sondern zerstörte mehrfach auch Piratenlager.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte zu den Ergebnissen des Krisentreffens: „Natürlich ist richtig: Je mehr Boote man für die Seenotrettung zur Verfügung stellt – ohne ergänzende Maßnahmen – desto mehr werden Schlepper angeregt, dann ihr Geschäft fortzusetzen.“ Dennoch unterstützte Deutschland die Verstärkung. Gleichzeitig müsse entschlossen gegen den Menschenhandel vorgegangen werden.

„Monumentaler Mangel an Mitgefühl“

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, das Ansehen Europas stehe auf dem Spiel. Viel zu oft sei gesagt worden: „Nie wieder“. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hatte zuvor die EU wegen der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer ungewöhnlich scharf kritisiert. Die Hunderten von Toten seien das Ergebnis eines anhaltenden Politikversagens und eines „monumentalen Mangels an Mitgefühl“, sagte Said Raad al-Hussein in Genf. Statt nach sinnlosen strengeren Abschottungsmaßnahmen zu rufen, müsse die EU endlich legale Fluchtwege und mehr Rettungskapazitäten für das Mittelmeer bereitstellen.

Der britische Premierminister David Cameron forderte mit Blick auf den EU-Sondergipfel am Donnerstag einen „umfassenden Plan“ zur Verhinderung weiterer Tragödien. Rettungseinsätze müssten Teil dieses Plans sein, vor allem aber müssten die Probleme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge entschiedener angegangen werden.

Katastrophen ohne Ende

Unterdessen nehmen die Unglücke kein Ende: Am Montag gerieten drei weitere Schiffe mit mindestens 400 Menschen an Bord im Mittelmeer in Seenot. Nach Hilferufen seien Rettungseinsätze eingeleitet worden, sagte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi. Auch in der Ägäis kam es zu einem folgenschweren Unglück: Vor einem beliebten Strand der griechischen Touristeninsel Rhodos ist ein Schiff mit Dutzenden Flüchtlingen an Felsen zerschellt. Mindestens drei Menschen starben, darunter ein vierjähriges Kind. Weitere 93 wurden aus dem Wasser gerettet, 30 von ihnen kamen ins Krankenhaus.

Mit einem Klagegottesdienst will der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, am Samstag auf das Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer aufmerksam machen. Der oberste Repräsentant der rheinischen Protestanten prangerte zugleich die Tatenlosigkeit der Politik an und sprach von einem humanitären Skandal. Auch Kölns Erzbischof Rainer Maria Woelki rief zum Handeln auf – und zog Parallelen zur Trauer um die 150 Opfer des Germanwings-Absturzes in Frankreich. Beim Trauergottesdienst für die Absturzopfer im Kölner Dom habe er so viele traurige Angehörige gesehen, sagte Woelki bei einer Andacht. „Ich kam mir unendlich hilflos vor und weiß nicht, ob ich diese verzweifelten Menschen wirklich trösten konnte. Das Flugzeugunglück in den Alpen können wir nicht mehr ungeschehen machen – aber im Mittelmeer können wir helfen.“

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