Berlin/Mainz

Drogenvorwurf: Viele Fragen im Fall Hartmann

Wahlplakate aus besseren Zeiten. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Michael Hartmann. Es geht offenbar um den Besitz oder Konsum von illegalen Drogen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete will sich zunächst zurückziehen.  Foto: Bernd Eßling
Wahlplakate aus besseren Zeiten. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Michael Hartmann. Es geht offenbar um den Besitz oder Konsum von illegalen Drogen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete will sich zunächst zurückziehen.  Foto: Bernd Eßling

In der SPD sind viele schockiert über die Drogenvorwürfe gegen den langjährigen Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann. Manche können sich nicht mal mehr darüber freuen, dass der Mindestlohn endlich in trockenen Tüchern ist. Die meisten können sich nicht vorstellen, dass der profilierte Innenpolitiker harte Drogen konsumiert haben könnte.

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Von unseren Berliner Korrespondenten Jan Drebes und Rena Lehmann

Eine erste Erklärung mit dem Titel „Presseunterweisung“ seines Anwalts liest sich allerdings nicht, als wäre an den Vorwürfen gar nichts dran. Darin wird lediglich klargestellt, dass es bei den Vorwürfen um Mengen für den Eigengebrauch geht.

Beim SPD-Sommerfest der Bundestagsfraktion in Berlin war die Stimmung am Mittwochabend entsprechend gedrückt. Hartmann ist der zweite renommierte Innenpolitiker der SPD, der binnen eines halben Jahres mit schweren Vorwürfen konfrontiert ist. Anfang Februar hatte Innenexperte Sebastian Edathy wegen Ermittlungen gegen ihn im Bereich Kinderpornografie sein Mandat niedergelegt. So weit muss es bei Hartmann nicht kommen. Doch allein der Vorwurf des Konsums harter Drogen wirkt für einen Innenpolitiker, der über Gesetze zur Strafverfolgung mitbestimmt, schwer.

Vorerst wird Hartmann in der Innenpolitik vertreten

Trotzdem will man zunächst abwarten, bevor weitere personelle Konsequenzen für Hartmann drohen. Seinen Sprecherposten hat er bereits von sich aus abgegeben. Zunächst wurden die beiden Stellvertreter damit beauftragt, bis auf Weiteres die innenpolitischen Themen der SPD-Bundestagsfraktion anstelle von Hartmann zu vertreten. Viele politische Weggefährten äußerten sich besorgt. Hartmann soll nach unbestätigten Berichten die harte Modedroge Crystal Meth erworben haben, die Experten für besonders gefährlich halten.

Aktiver Mainzer Narr: Michael Hartmann als Ranzengardist
Aktiver Mainzer Narr: Michael Hartmann als Ranzengardist
Foto: dpa

Sie warnen unterdessen vor einer Ausbreitung dieser Droge in Deutschland. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) steigt die Zahl der Konsumenten seit Jahren an. Wurden 2009 noch 364 erstauffällige Crystal-Meth-Konsumenten registriert, zählten die Behörden 2012 bereits 2556 Fälle. Auch die beschlagnahmten Mengen nehmen laut BKA konstant zu: 2013 gab es 3847 Sicherstellungen (10 Prozent mehr als 2012), bei denen Ermittler insgesamt 77 Kilogramm Crystal Meth einkassierten (plus 3 Prozent).

Dabei ist die synthetische Droge in Deutschland regional sehr unterschiedlich verbreitet und vor allem ein Problem in den Großstädten Berlin und Hamburg. Aber keine andere Region kämpft so stark mit Crystal Meth wie das östliche Bayern, Teile von Sachsen und Thüringen. Der Grund: Vor allem in Tschechien, aber auch in Polen gibt es sehr viele Crystal-Küchen, auf sogenannten Asiamärkten kurz hinter der tschechischen Grenze etwa kann die leicht herzustellende Droge günstig erworben werden. Das bayerische Landeskriminalamt schätzt, dass ein Gramm Crystal Meth in der Herstellung lediglich zwischen 1 und 3 Euro kostet, in der Grenzregion wird es dann für etwa 20 Euro verkauft. In grenzfernen Großstädten wie München und Berlin müssen Konsumenten bis zu 120 Euro pro Gramm ausgeben.

Vorbei: Das Amt des innenpolitischen Sprechers der SPD legte Michael Hartmann umgehend nieder.
Vorbei: Das Amt des innenpolitischen Sprechers der SPD legte Michael Hartmann umgehend nieder.
Foto: dpa

Der in Bayreuth praktizierende Facharzt für Psychiatrie Roland Härtel-Petri ist einer der führenden Experten für Crystal Meth. Aus seiner Sicht sind drei Gruppen besonders anfällig, in Kontakt mit der gefährlichen Droge zu kommen: Viel arbeitende Leistungsträger, junge Mütter sowie Anhänger der homosexuellen Klubkultur in Städten. „Die aufputschende Wirkung von Crystal ist für alle diese Gruppen interessant“, sagt Härtel-Petri. „Sie gibt einen Kick, lässt zum Beispiel gestresste oder überforderte Mütter glauben, sie könnten am Wochenende weiterfeiern gehen.“

Unter seinen Patienten, denen er bei der Abkehr von Crystal Meth hilft, seien auch schwer arbeitende Handwerker. „Ein Maler raucht die Kristalle, weil er danach wach und ohne Schmerzen durcharbeiten kann.“ Besonders im Umlauf ist die Droge demnach in der Sex- und Party-Szene. „Die Substanz sorgt dafür, dass man sich stark und selbstbewusst fühlt, sie fördert die sexuelle Lust und unterdrückt Müdigkeit, Hunger, Durst.“ Fatal sei der Absturz danach. Crystal Meth ist brandgefährlich, sagt Härtel-Petri deshalb.

Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums spielt Crystal Meth im Land „eine untergeordnete Rolle“. Nur vereinzelt gibt es Betroffene. Im Jahr 2013 ist von 28 Fällen und Sicherstellungen von 179 Gramm Methamphetamin/Crystal Meth auszugehen, berichtet eine Sprecherin. Der Jahresbericht 2013 zur Rauschgiftkriminalität weise darauf hin, dass sich bei den vereinzelten Sicherstellungen in Rheinland-Pfalz in der Regel Bezüge zu Tschechien und den südöstlichen Bundesländern Bayern, Sachsen und Thüringen belegen lassen.

Präventionsarbeit funktioniert bei allen Drogen ähnlich

Trotz der untergeordneten Rolle der Droge in Rheinland-Pfalz sei „die kontinuierliche Suchtprävention auch in diesem Fall ein wichtiges Anliegen der Landesregierung“. Ziel der Präventionsarbeit im Land ist es demnach allgemein, bei Kindern und Jugendlichen langfristig Schutzfaktoren zu entwickeln und zu fördern. Sie sollen lernen, alltägliche Lebensprobleme wie auch schwierige Existenzfragen konstruktiv zu lösen, erklärte die Sprecherin.