Koblenz

Deubel-Urteil wird zur Gerichtspremiere

Vorsitzender Winfried Hetger hat sich im Prozess nicht in die Karten schauen lassen. Am Ende hält er Ingolf Deubel klar für schuldig.
Vorsitzender Winfried Hetger hat sich im Prozess nicht in die Karten schauen lassen. Am Ende hält er Ingolf Deubel klar für schuldig. Foto: Sascha Ditscher

Die Zuhörer im Schwurgerichtssaal des Koblenzer Landgerichts erleben eine zweifelhafte Premiere: Ingolf Deubel (63) wird als erster Minister im Land wegen Untreue im Amt verurteilt – zu dreieinhalb Jahren Gefängnis. Der einst mächtige Mann im Kabinett von Ex-Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat wohl selbst am wenigsten mit diesem Urteil gerechnet, das kurz nach 14 Uhr fällt und das Vorsitzender Richter Winfried Hetger mehr als drei Stunden begründet.

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Von unserer Redakteurin Ursula Samary

Um 13.55 Uhr kommt Deubel noch betont lässig in den Saal, die linke Hand in der Hosentasche. Als der Richterspruch fällt, lässt er sich den Schock nicht anmerken. Dass er ihn nicht klaglos auf sich sitzen lässt, ist klar: Er wird das Urteil anfechten.

Mit stoischer Ruhe hat Hetger seit Oktober 2012 Deubels Tiraden und Vorlesungen angehört, ist zig Beweisanträgen gefolgt, hat 100 Zeugen und Sachverständige vernommen – vor allem zum grotesken Finanzkonzept mit US-Lebensversicherungen. Doch das war im Kern ebenso wenig angeklagt wie der ökonomisch sinnlose, aber gigantische 330-Millionen-Ausbau der Eifel-Rennstrecke. Hetger erklärt am inzwischen 64. Prozesstag präzise, wo für Regierende die Grenzen des politischen Spielraums enden – dort, wo im Strafgesetzbuch der Paragraf 266 zur Untreue lauert und den bestraft, der ihm anvertrautes fremdes Vermögen pflichtwidrig schädigt. Und dies sieht Hetger in Deubels Fall bewiesen: Er hat danach sein Ministeramt missbraucht, als die Landesförderbank ISB über eine Tochter mit gut 85,5 Millionen Euro an stillen Einlagen den Hotel-Investor Kai Richter stützen musste. Damit wollte Deubel bei hohem Ausfallrisiko nur „verschleiern“, dass er keinen finanzkräftigen Investor fand. Die stillen Einlage waren in Wahrheit nur „verkappte Darlehen“.

Damit hatte Deubel aber nicht nur EU-Recht verletzt, sondern über die „Vertuschung“ auch das politische Versprechen gebrochen, nicht mit staatlichem Geld den örtlichen Hotels und Gastronomen Konkurrenz zu machen. Außerdem habe er am Ring wie ein faktischer Geschäftsführer geherrscht, der alle Finanzfragen regelte – auch grundlose Provisionen für erfolglose Finanzvermittler oder ein Erfolgshonorar von 4 Millionen Euro, das vor dem Platzen der Schecks eines falschen US-Millionärs auch mithilfe von Ex-Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz in letzter Minute noch gestoppt werden konnte. Fazit: Am Ende sieht die Wirtschaftsstrafkammer wie zuvor die Staatsanwaltschaft Deubel als den Hauptschuldigen im Untreueprozess, bei dem alle Fäden zusammenliefen – eben beim Finanzminister, dem Herrn über Bürgschaften und Förderbank, dem Aufsichtsratsboss und faktischen Geschäftsführer. Damit fährt der SPD-Mann einen Totalschaden ein. Wird das Urteil rechtskräftig, verliert er Freiheit und Reputation, auch Pensionsansprüche. Zudem kommen hohe Verfahrenskosten auf ihn zu, möglicherweise noch Regressforderungen.

Keine Schadensersatzansprüche

Schadensersatzansprüche muss Kafitz nach einem Vergleich seiner Versicherung mit den Sanierern am Ring nicht mehr fürchten. Er kommt mit einer Bewährungsstrafe und einer Geldauflage von 5000 Euro davon, weil er bei der Finanzierung des Ring-Ausbaus eine eher „untergeordnete“ Rolle gespielt habe. Die geringe Geldauflage erklärt Hetger mit der heutigen Arbeitslosigkeit von Kafitz. Sichtbar mitgenommen reagiert der Ex-Controller Michael Nuss, der wegen vier Untreuefällen zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt wird. Eine regelrechte „Zwangslage“ konstatiert Richter Hetger in den Beihilfefällen der Förderbank-Verantwortlichen Hans-Joachim Metternich und Roland Wagner. Sie hätten ohne größere Alternative Deubel folgen müssen, dabei aber die Bank über die Landesbürgschaft geschützt. Das Gericht verwarnt sie. Zudem müssen sie Geldauflagen von 10.000 Euro und 7500 Euro zahlen. Der ansonsten höchst zufriedene Oberstaatsanwalt Hans Peter Gandner will ihr Urteil jetzt prüfen.

Eines steht auch fest: Die Insolvenz von 2012 lastet Hetger Deubel nicht an. Das Zukunftskonzept von 2010, das den Ring retten sollte, beschreibt er höchst kritisch. Damit beschäftigt sich auch noch der Rechnungshof. Damit ist die politische Debatte im Landtag längst noch nicht vorbei.