Frankfurt

Der Zorn entzündet sich an der EZB

Szenen wie im Bürgerkrieg: Bei den Protesten gegen die EZB in Frankfurt wurden Reifen, Müllcontainer und Polizeifahrzeuge angezündet. Feuerwehrleute wurden durch Demonstranten am Löschen gehindert. ⋌Foto: www.mainhattan-webcam.de, Hi.Res.Cam GmbH/dpa
Szenen wie im Bürgerkrieg: Bei den Protesten gegen die EZB in Frankfurt wurden Reifen, Müllcontainer und Polizeifahrzeuge angezündet. Feuerwehrleute wurden durch Demonstranten am Löschen gehindert. ⋌ Foto: www.mainhattan-webcam.de, Hi.Res.Cam GmbH/dpa

Die Bühne war bereitet für den Gewaltausbruch in Frankfurt: Griechenland steht am Scheideweg, die Arbeitslosigkeit ist enorm, und eine Staatspleite droht. Gleichzeitig explodiert der Aktienmarkt, auch weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Märkte mit Geld flutet. Das hilft Banken und Aktionären – also den Reichen, meinen Kapitalismuskritiker -, während den Armen in Griechenland und anderen Krisenländern immer neue Spardiktate vorgesetzt würden. Und mitten in dieser brenzligen Lage weiht die EZB ihren spektakulären, milliardenteuren Neubau am Main ein.

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Von Martin Oversohl

Deshalb wurde Frankfurt schnell zu dem auserkoren, was es am Mittwoch wie befürchtet auch wurde: ein Konfliktfeld für kapitalismuskritischen Protest und ein Ort für einen massiven Gewaltausbruch. Der Schuldige ist schnell gefunden: die EZB. Zu Recht? Oder ist die EZB nur ein Sündenbock für die Politik in Europas Hauptstädten – und vor allem für Fehler in den betroffenen Ländern?

So sieht es jedenfalls EZB-Präsident Mario Draghi. Dass einige Staaten schwierige Reformen durchführen müssten, sei ihnen nicht von außen vorgeschrieben worden, betont der Italiener in seiner Rede zur Eröffnung der gläsernen Doppeltürme: „Es ist eine Konsequenz ihrer früheren Entscheidungen.“ Zumindest war der Protest in Frankfurt europäisch: Unter anderem hatten sich spanische Protestler organisiert. An den brennenden Mülltonnen wurde Italienisch gesprochen, auch griechische Demonstranten gingen rund um die Hochhäuser der Bankenmetropole auf die Straße. Die Massen friedlich, ein kleiner Block vermummt, aggressiv und ausgerüstet für einen „Tag des Zorns“.

Für den DGB nur eines von vielen Symbolen der Krise

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund, Veranstalter eines der größeren Protestzüge, ist die EZB nur eines von vielen möglichen Symbolen für den Protest gegen die europäische Krisenpolitik. „Man könnte genauso gut vor dem Bundeskanzleramt, dem Bundesfinanzministerium, den Großbanken oder der EU-Kommission demonstrieren“, sagt Frankfurts DGB-Chef Harald Fiedler. Der imposante EZB-Neubau biete sich jedoch besonders an. Kommt hinzu, dass Frankfurt als Sitz der EZB und als eine der europäischen Bankenmetropolen seit Jahren ein symbolträchtiger Schauplatz ist: Bereits im Mai 2012 hatten bei der ersten Demo des linken, bankenkritischen Blockupy-Bündnisses rund 20.000 Menschen friedlich demonstriert, ein Jahr später gingen die Kritiker erneut gegen das Krisenregime der EU auf die Straße. Und bereits wenige Monate später, im November 2013, wurde der Tag der Eröffnung des Neubaus als Tag des Protestes auserkoren. Die Notenbank als Symbol.

Natürlich weiß EZB-Präsident Draghi um das Feindbild der jüngsten Proteste: Viele Menschen hätten in den vergangenen Krisenjahren Einkommen und Wohlstand verloren, sagt er. Deshalb sei die EZB als eine zentrale Institution der Europäischen Union in der Krise in den Fokus der Frustrierten geraten. „Möglicherweise ist dieser Vorwurf nicht fair“, sagt Draghi: „Denn unser Handeln zielt genau darauf ab, die wirtschaftlichen Schocks abzufedern.“ Was Europas oberster Währungshüter nicht direkt sagt: Ohne die Milliarden der Notenbank und der Euro-Länder wäre zumindest Griechenland vermutlich längst pleite.

Verzicht auf große Feier milderte nicht die Wut

Die EZB-Spitze hatte bewusst auf eine große Feier zur Eröffnung verzichtet. Für das Ausmaß der Gewalt in Frankfurt spielte das anscheinend aber keine Rolle. Denn im Schatten der Kapitalismuskritiker reisen schon seit Jahren gewaltbereite Autonome aus ganz Europa gezielt zu Anlässen wie dem G 8-Treffen der größten Industrienationen, zu Wirtschaftskongressen – und auch zur EZB.