Kommentar: Schluss mit gratis – Eine Zeitenwende

Bislang war unser Internet-Auftritt Rhein-Zeitung.de auf die Schaffung von Reichweite ausgelegt. Künftig richten wir unser digitales Angebot konsequent auf unsere Kunden aus. Unser Redakteur und Leiter Digitales, Marcus Schwarze, kommentiert.

Lesezeit: 4 Minuten
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Ein kluger Journalist hat einmal gesagt: Die Zeitung hält fest, was heute anders ist als gestern. Diese Weisheit aus analogen Zeiten gilt heute noch, zwei Jahrzehnte nach Start der ersten nachrichtlichen Webseite im Internet, trotz Google, E-Mail, Facebook, Smartphone. Und so lesen Sie in der Rhein-Zeitung Tag für Tag, was sich in den jüngsten 24 Stunden geändert hat, was Überraschendes und Relevantes geschehen ist. Heute lesen Sie von einer Zeitenwende: Künftig richtet sich Rhein-Zeitung.de vollends auf den zahlenden Abonnenten und Käufer aus. Bislang waren zwei Artikel im Monat für jedermann kostenlos erhältlich. Das entfällt künftig.

Leser müssen sich auf Rhein-Zeitung.de künftig generell als Abonnent anmelden. Das kostet nichts extra. Andere müssen einen Tagespass oder Monatspass kaufen oder 50 Cent pro Artikel bezahlen, um unsere Texte lesen zu können und weiterführende Fotostrecken, Videos und Grafiken oder auch die Vorgeschichte angezeigt zu bekommen.

Das ist nicht nur für uns Medienschaffende etwas Gravierendes. Für unsere Leser im Netz entsteht zunächst einmal die Notwendigkeit der Registrierung. Noch ein Kennwort mehr. Doch haben wir das wohlüberlegt. Wir beenden damit das jahrzehntelange Experiment im Web, mit stets kostenlos angebotenen Inhalten ein neues Medium finanzieren zu wollen. Werbung allein kann auf Dauer nur dazu beitragen.

Unser Schritt ist durchaus vergleichbar mit der Erfindung des E-Papers im Jahr 2001: Damals programmierten kluge Köpfe für diese Zeitung als erste weltweit eine Darstellung, die das Große groß und das Kleine klein auf einer zeitungsähnlichen digitalen Fläche einordnete. Jeder Artikel wurde klickbar, beim Überfahren mit der Maus wurde und wird noch heute eine Vorschau sichtbar. Der Koblenzer Begriff des „E-Papers“ wurde eine eigene Mediengattung. Beim Googeln danach erscheint das E-Paper der Rhein-Zeitung noch heute vor dem Wikipedia-Eintrag dazu.

Seitdem haben sich die Lesegewohnheiten weiter verändert. Durch die fortschreitende Digitalisierung lesen Sie diesen Text womöglich nicht mehr auf Papier, sondern wie selbstverständlich digital:

Noch etwas mehr hat sich geändert. Sie lesen im Umfeld dieses Textes im Digitalen andere Nachrichten: solche, die nicht nur täglich, sondern minütlich aktualisiert werden. Bei der Rhein-Zeitung aktualisieren wir unser Nachrichtenangebot im Kern von 6.30 bis 22 Uhr. Auch am Wochenende und an Feiertagen sind wir für Sie da – und wenn in der Eifel ein Bundeswehr-Tornado abstürzt, auch schon mal in der Nacht. Und das nicht mehr allein auf unseren digitalen Plattformen von Rhein-Zeitung.de und den Apps. Wir bedienen unserer Leser auch mittels Hinweisen auf fremden Plattformen wie Facebook und Co., die viele unserer Leser im Digitalen gerne wegen der einfachen Zugänglichkeit und zunehmend auf dem Handy nutzen.

Dort, bei den sozialen Medien, konkurrieren unsere Nachrichten mit einer ganz anderen Gattung an mehr oder minder Mitteilenswertem: dem nicht endenden Strom an Statusmeldungen von Bekannten und Freunden, viralen Videos, unterhaltendem Material aus millionenfach draufgehaltenen Handys und auch Falschmeldungen. Unsere Nachrichten tauchen dort in einem ganz anderen Umfeld auf, im Persönlichen – etwa dem ersten Foto des Neugeborenen der Schwiegertochter.

Für Vollabonnenten kostenlos: Nach einmaliger Registrierung können Abonnenten Rhein-Zeitung.de weiterhin nutzen.
Für Vollabonnenten kostenlos: Nach einmaliger Registrierung können Abonnenten Rhein-Zeitung.de weiterhin nutzen.
Foto: Marcus Schwarze

Die Ansprüche an die Medien verändern sich. Wir ändern uns mit. Wir gehen mit unseren Nachrichten dorthin, wo unsere Leser sind, liefern Appetithappen auf Facebook, Twitter, auch auf manchen neuartigen Seiten, um diese auszuprobieren.

Das vollständige Angebot unserer Informationen aber kann auf Dauer nicht kostenlos sein. Wir machen kein Hehl daraus, dass auch in der neuen Lesewelt journalistische Leistungen und eine Haltung ihren Wert haben; und dass wir neben dem journalistischen und logistischen Handwerk auch zuverlässig wirtschaften. In einem Markt, der digital ist und sich jede Woche mit immer neuen Akteuren und Mechanismen verändert, gilt es die Stellschrauben hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit zu entdecken, einzubauen und zu justieren.

Konkret bedeutet das: Werbung allein genügt bei digitalen Seiten nicht, um ein nachrichtliches Angebot dauerhaft zu finanzieren.

Den Schnitt, den wir nun vollziehen, machen wir nicht allein. Ein Drittel der mehr als 300 Zeitungen in Deutschland haben eine sogenannte Bezahlschranke eingeführt, häufig in unterschiedlicher Ausprägung. Viele weitere Medien, von „Süddeutscher Zeitung“ bis zu „Spiegel Online“, denken darüber nach. Und die Reaktionen sind durchaus positiv: Ein ums andere Mal verteidigen uns unsere Abonnenten bei Facebook gegenüber Kritikern, die unsere Leistungen kostenlos in Anspruch nehmen wollen. Sie unterstützen uns dabei: Rhein-Zeitung.de und unsere weiteren digitalen Plattformen richten wir vollends auf diejenigen aus, die dazu bereit sind, einen angemessenen finanziellen Beitrag zu leisten. Die bisherige Zwei-Artikel-Frei-Regel entfällt deshalb.

Digitalisierung ist der vorherrschende Prozess unserer Zeit

Wir machen das nicht als Getriebene oder Vertriebene aus der analogen Darstellung von Nachrichten. Wir machen das aus großer Zuversicht: Die Digitalisierung der Gesellschaft ist der vorherrschende Prozess unserer Zeit. Die Mechanismen zur Nachrichtenverbreitung und zur Urteilsfindung benötigen auch in Zukunft Plattformen, die zuverlässig das Richtige vom Falschen und das Heute vom Gestern zu unterscheiden helfen. Solche Plattformen benötigen eine Wertegemeinschaft im Hintergrund, die weiterhin durch Euro am Kiosk oder der Angabe einer Bankverbindung zustande kommt. Künftig entsteht sie vermehrt durch moderne Vereinbarungen und ad hoc übermittelte vertrauensbildende Maßnahmen wie einer per SMS übermittelten TAN auf ein Handy.

Das ist womöglich anfangs irritierend und wie jedes Neue noch verbesserbar. Insbesondere in der Bedienung werden wir noch detailliert Lösungen entwickeln müssen, etwa in der der Frage, wie wir die Kennworteingabe auf unterschiedlichen Geräten überflüssig machen.

Es gilt, mehr einzuordnen

Und wir werden Nachrichten verändern, mehr erklären, journalistischer werden. Die bloße Nachricht ist im Digitalen zwei Sekunden aktuell. Was künftig für uns als Medienschaffende wichtiger wird, ist, die Dinge für Sie einzuordnen, zu erklären, Hintergründe zu liefern.

Insofern ist heute ein Tag im Kosmos der Rhein-Zeitung, der nicht nur das Heute vom Gestern unterscheidet, sondern einen größeren Schritt beschreibt. Heute ist etwas gravierend anders als vor einem Jahrzehnt. Gehen Sie diesen Schritt mit? Schreiben Sie uns.