Köln

Kunst spielerisch entdeckt: Platine-Festival in Köln bietet besondere Zugänge

Das Wirken des eigenen Tuns demonstrierte auch „The Grid“, eine audiovisuelle Installation zum Anfassen. Foto: Marta Fröhlich
Das Wirken des eigenen Tuns demonstrierte auch „The Grid“, eine audiovisuelle Installation zum Anfassen. Foto: Marta Fröhlich

Vor der Kunst kommt das Zischen. Beim Platine-Festival im Kölner Stadtteil Ehrenfeld lässt es das junge Publikum entspannt angehen. Ein gemütliches Schwätzchen beim kühlen Bier auf der Straße läutet einen Abend ein, der so aufregend und spannend, aber auch so herausfordernd wird wie ein Videospiel.

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Von unserer Reporterin Marta Fröhlich

Das Festival für elektronische Kunst und alternative Spielformen, organisiert vom Kölner Kommunikationsbüro 37 Grad, führt den Besucher durch fünf verschiedene Locations im Studentenviertel, in denen 25 Ausstellungstücke dem Besucher verschiedene Fertigkeiten abverlangen. Denn beim Platine-Festival wird die klassische Ausstellungschoreografie aufgehoben. Niemand kann hier einfach von Raum zu Raum schleichen, andächtig vor den Werken stehen bleiben, sie betrachten und sich Kinn reibend im Flüsterton mit seinem Begleiter darüber unterhalten. Denn bei der Platine gilt das oberste Prinzip von Games: Hands on! Es gilt, in Kontakt mit dem Ausstellungsstück zu treten, auszuprobieren, Interaktion zu wagen. So zum Beispiel bei „Drop the Beat“ der Designagentur GROSSE8. Der überdimensionale Wasserdrucker wird über eine Reihe von Tablets gesteuert, die vom Besucher bedient werden. Dabei entscheidet dieser, ob das Wasser aus den 120 steuerbaren Ventilen leise tröpfelt, gluckert oder in Strömen fließt. Der Clou: Das Wasser fällt auf eine Reihe von Flaschen, Rohren, Eimern, Folien und verwandelt so den ganzen Apparat in ein Orchester.

Spielfreude dominiert

Der Spielspaß beim Ausprobieren stand beim Platine-Festival in Köln im Vordergrund. Foto: Marta Fröhlich
Der Spielspaß beim Ausprobieren stand beim Platine-Festival in Köln im Vordergrund.
Foto: Marta Fröhlich

Eine ebenso große Spielfreude entfacht „Spinatics: Arena“. Zwei Gegenspieler lassen Kreisel in einer großen Tonschale kreisen. Jeder Kreisel hinterlässt eine virtuelle Farbspur, die in die Schale projeziert wird. Wer mehr Farbe verteilt hat, hat gewonnen. Schnell finden sich die Kampfgegner, ohne großes Begrüßungsritual duelliert man sich mit Fremden. Was immer gleich bleibt, ist das kindliche Funkeln in den Augen, wenn das simple Kreiselspiel Erinnerungen an die Kindheit weckt und der Sieger beim Endergebnis die Arme hochreißt. Apropos Kindheit: „Pong“, das virtuelle Tennisspiel, eroberte in den 80ern die Kinderzimmer und bekommt auf der Platine eine analoge Neuauflage. Und erntet die gleiche Begeisterung wie vor 30 Jahren, wenn die Technik nicht spinnt.

Waren diese Stationen wie ein Tutorial in einem Spiel und dienten dem Aufwärmen, steigen manche Ausstellungsstücke im Schwierigkeitslevel. In „This Is Not Pollock“ pendelt über einer Leinwand eine Farbdose, aus der hin und wieder Farbe tropft. Der Besucher muss erst ausprobieren, um zu verstehen, dass er die Dose, aber nicht das Tropfen der Farbe lenken kann. Denn das ist bereits einprogrammiert. So entsteht ein Gesicht aus dem Zusammenwirken von Mensch und Maschine. Doch hin und wieder überfordert das Werk den Besucher mit seinem Schwierigkeitsgrad. Manches wie die Skulptur „Radix“, eine Wurzel, die von Projektionen überlagert wird, hätte eine Anleitung gebraucht. Die Betrachter sind sichtlich irritiert und alleingelassen mit der Kunst.

Kunst wird Unterhaltung

Das Spannende am Platine-Festival ist die Beobachtung, wie die Ebene der Kunst hinter der des Gamings verschwindet. Kunst wird nicht betrachtet, sondern erlebt, indem sie durch einen unterhaltsamen Zugang erweitert wird. Einen passenden Rahmen für diesen spielerischen Ansatz bietet da ein Stadtteil wie Köln-Ehrenfeld. In Betonbunkern, Bars und Hinterhöfen finden sich Kunst- und Games-Interessierte zusammen ohne die Bedeutungsschwere einer inszenierten Ausstellung. Zwischen Bier und Turnbeutel kommt echte Festival-Atmosphäre auf, im Spaß am Ausprobieren kommen kindliche Freude und Müßiggang zum Vorschein. Während ein paar Stadtteile weiter die Gamescom den Spielzirkus in Bombast-Dimensionen inszeniert, erlaubt das Platine-Festival einen reduzierten, aufgeräumten Blick auf die Szene. Auch oder gerade wegen der unterschiedlichen Zugänge, die mal simpel, mal überfordernd sein können – wie Kunst und Games auch.