Gaming Girls: Sie will nicht nur spielen

Carla Pham liebt das Computerspielen. Beim Kampfspiel „Super Smash“ tobt sich die 21-Jährige so richtig aus. Und beweist mit ihrem Engagement, dass auch Mädchen in der Männerdomäne Gaming eine Überlebenschance haben. <br /><br />
Carla Pham liebt das Computerspielen. Beim Kampfspiel „Super Smash“ tobt sich die 21-Jährige so richtig aus. Und beweist mit ihrem Engagement, dass auch Mädchen in der Männerdomäne Gaming eine Überlebenschance haben.

Foto: Marta Fröhlich

Mädchen scheinen in der Gaming-Welt nicht erwünscht. In der Trendsportart E-Sport spielen Jungs mit sehr harten Bandagen. Doch die Koblenzerin Cece Pham zeigt, wie man sich als Mädchen in der rauen Männerwelt behaupten kann.

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Von unserer Reporterin Marta Fröhlich

Pikachu sieht nur noch Sternchen. Denn der rotwangige Knubbel mit dem gelben Fell aus der bekannten „Pokémon“-Reihe muss gegen Cece eine Menge einstecken, wenn sie ihn in einem „Super Smash Bros.“-Match vermöbelt.

Die Koblenzerin Carla Pham, die alle nur kurz Cece nennen, ist leidenschaftliche Gamerin – und das, obwohl sie sich gegen Anfeindungen, massive Anbaggerversuche und heftige Vorurteile gegenüber Mädchen in der Szene behaupten muss. Dennoch schlägt ihr Zockerherz für das Nintendo-Spiel „Super Smash Bros.“, kurz „Smash“, aus dem sogenannten „Beat 'em up“-Genre. Das sind Spiele, in denen zwei Spieler in einer Arena direkt gegeneinander kämpfen. Der niedliche erste Eindruck von „Smash“ täuscht jedoch gewaltig. Zwar sind in dem Videospiel alle kunterbunten Helden des Nintendo-Universums versammelt. Bowser, Yoshi, Mario und Kirby wecken bei älteren Spielern Kindheitserinnerungen. Doch „Smash“ entpuppt sich als ein komplexes Kampfspiel, in dem es darum geht, seinen Gegner gut zu studieren und die eigene Figur perfekt zu beherrschen.

Die 21-Jährige kann sich nicht mehr richtig daran erinnern, wann sie das erste Mal Computer gespielt hat. Die junge Frau mit vietnamesischen Wurzeln ist damit aufgewachsen. Ihre Eltern und die große Schwester sind selbst begeisterte Gamer, Action vor der Spielkonsole gehört zu einem spaßigen Familienabend bei den Phams dazu. Schon in der Grundschule trifft sie sich mit Kumpels zum Zocken – und fällt dabei als Mädchen auf.

Deutlich mehr Jungs spielen

Seit Ceces Grundschulzeit hat sich am Verhältnis von Mädchen zu Jungs im Gaming nicht viel verändert. Laut der aktuellen JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, die das Medienkonsumverhalten von Jugendlichen von 12 bis 19 Jahren misst, spielten im Jahr 2015 85 Prozent aller Jungen mindestens mehrmals pro Woche Computerspiele – doch nur etwas weniger als die Hälfte der Mädchen. „Jungs greifen dabei eher zu Konsole und PC. Mädchen stehen mehr auf soziale Medien und Rollenspiele“, berichtet Maike Groen. Die Diplom-Sozialwirtin forscht an der Technischen Hochschule in Köln zu Gender und Gaming. Ihrer Meinung nach ist bereits die Verfügbarkeit bestimmter Medien verschieden. Für Jungs ist es heutzutage normal, dass sie eine Konsole geschenkt bekommen. Mädchen hingegen müssen selbst den Wunsch äußern, spielen zu wollen. Häufig spielen der große Bruder oder männliche Freunde dann die Rolle eines sogenannten Gatekeepers. Sie öffnen also den Mädchen die Tür zur Gaming-Welt.

Auch Cece hat schon in der Schulzeit mehr Kontakt zu Jungs, Mädchen als Freundinnen sind ihr nicht taff genug. Am liebsten spielt sie Competitive Games. Dabei geht es vor allem darum, sich mit anderen zu messen. Aus dem Trend des Competitive Online Gaming ist vor einigen Jahren eine eigene Sportart entstanden: der E-Sport. Unter E-Sport versteht man professionellen Wettstreit in Computerspielen, meist im Team. E-Sport ist ein riesiger Markt: Jeder vierte Internetnutzer in Deutschland kennt E-Sport, Vereine wie der FC Schalke 04 haben eine eigene E-Sport-Mannschaft für verschiedene Spiele. Der Sender Sport1 überträgt bereits Turniere, in Südkorea ist E-Sport Nationalsport. Die Sieger der großen Cups sahnen Preisgelder in Millionenhöhe ab und füllen Arenen: Die Tickets für die 2015er Finals des Spiels „League of Legends“ in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin waren in weniger als zehn Minuten ausverkauft. Bei den Finals sahen 14 Millionen online zu. E-Sport bringt Superstars hervor, die von ihren Fans vergöttert werden.

Auch Cece hat ein Idol. FOW, ein 21-jähriger US-Amerikaner, kann von „Smash“ gut leben. Er hat auf der Streaming-Plattform Twitch, auf der man ganze Matches oder Liveübertragungen von Spielen verfolgen und chatten kann, mehr als eine Million Anhänger. Cece schaut sich bei FOW eine Menge ab, sie bewundert FOWs Mind Set, also seine Art, den Gegner einzuschätzen und zu reagieren.

In der Männerdomäne

E-Sport geht weit über simples Daddeln hinaus. Die Spieler trainieren monatelang für Turniere, sie haben Manager, Trainer, Sponsoren. Doch eines fällt auf: Die E-Sport-Szene ist eine Männerdomäne. Auf einer Veranstaltung mit mehreren Hundert Teilnehmern treten eine Handvoll Frauen an. Vor allem online beobachtet Forscherin Groen immer wieder Homophobie, Rassismus und Sexismus. Sie sagt: „Die Gaming-Welt spiegelt die Welt da draußen in extremer Form.“ Groen, selbst begeisterte Gamerin, hat sogenannte Coping-Mechanismen bei Mädchen festgestellt, die sich in der Männerwelt Computerspiel etablieren wollen. Viele Mädchen geben sich männliche Spitznamen, vermeiden, enttarnt zu werden. Krasses Symptom einer frauenfeindlichen Szene sei das sogenannte „Aping Masculinity“. Das Nachäffen männlichen Gehabes beobachtet Groen oft. Beschimpfungen und Beleidigungen, der sogenannte Hate Speech, oder Trash Talk, abwertendes Geschwätz, gehören oft zum Online-Gaming dazu. Wer ein Blatt vor den Mund nimmt, gilt als Mädchen, wenn er nicht tatsächlich eines ist. Mädchen haben mit massiven Vorurteilen zu kämpfen. Wenn sie verlieren, liegt es daran, dass sie Mädchen sind; wenn sie gewinnen, wird angezweifelt, dass sie mit fairen Mitteln gewonnen haben, oder sie gelten als „Attention Whores“. Man sagt ihnen dann nach, sie wollten nur Aufmerksamkeit ernten. Dabei sind sie in Chats oder auf Veranstaltungen regelmäßig Anbaggerversuchen oder obszönen Sprüchen der männlichen Spieler ausgesetzt.

Ohne dickes Fell geht nichts

Auch Cece kennt die Blicke, wenn sie einen Veranstaltungsort betritt. Zweideutige Angebote sind an der Tagesordnung. Ihre Gaming-Fertigkeiten sind selten Thema, eher ob sie Single ist. „Das ist Alltag. Man braucht ein dickes Fell. Ich muss ständig beweisen, dass ich es draufhabe“, erklärt sie. Und das stellt sie regelmäßig auf Turnieren unter Beweis. Aktuell steht Cece in Verhandlungen mit einem der größten Teams in Deutschland, ob sie in Zukunft für das Team in „Smash“ antreten kann. Außerdem organisiert sie im Raum Koblenz E-Sport-Turniere, Veranstaltungen mit Dutzenden Teilnehmern und Preisgeld. Im Januar plant sie eine große Convention im Haus Wasserburg in Vallendar mit 128 Teilnehmern. Angekündigt haben sich der lateinamerikanische sowie niederländische „Smash“-Meister. Und auch bei Nintendo ist Cece mittlerweile bekannt. Der Millionenkonzern sponsert die 21-Jährige, stellt ihr Spielequipment und Technik zur Verfügung. Die Zeichen als E-Sport-Turnierorganisatorin und Gamerin stehen auf Erfolg.

Falls es jedoch mit der Profispielerkarriere nicht klappt, hat Cece noch einen Plan B in petto: Sie studiert Computervisualistik und möchte später in der Gaming-Industrie arbeiten. Aktuell beträgt dort der Frauenanteil 6 bis 8 Prozent. Sie wird sich ihren Platz hart erkämpfen müssen – dass sie es kann, davon kann Pikachu bereits mit schmerzverzerrter Miene berichten.

In den Reihen der Profispieler bei E-Sport-Turnieren muss man Mädchen lange suchen. Die 
Gaming-Welt ist deutlich von Jungs dominiert.
In den Reihen der Profispieler bei E-Sport-Turnieren muss man Mädchen lange suchen. Die 
Gaming-Welt ist deutlich von Jungs dominiert.
Foto: dpa

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