Ausnahmezustand: Schwere Gewitter toben bei Rock am Ring

Foto: Christoph Hamacher

Rock am Ring beginnt, wie es oft begonnen hat: regnerisch, aber nicht kalt, nicht einmal besonders windig. Die verschlammten Wiesen und nassen Klamotten nehmen die Ringrocker mit Humor, gegen 18 Uhr am Freitag kommt sogar einmal kurz die Sonne raus. Zu diesem Zeitpunkt denken sicherlich viele, dass die Warnungen vor Unwettern, die bereits Tage vorher durch die Medien gingen, deutlich überzogen waren.

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Foto: Kevin Rühle

Gegen 20.15 Uhr tritt dann aber doch der wohl schlimmste denkbare Fall ein: Der Himmel verdunkelt sich von Minute zu Minute mehr, man sieht eine schwarze Front auf das Gelände zukommen. Der Veranstalter unterbricht die Konzerte, die Fans werden aufgefordert, sich von Metall und Bühnen fernzuhalten. Viele suchen Schutz in Essens-, T-Shirt- und Promotionständen, viele machen sich eilig auf in Richtung Zelt. Aber viele verharren auch auf dem Gelände, wissen nicht so recht wohin.

Und dann blitzt und knallt es ohrenbetäubend laut – direkt über den Köpfen der Zehntausenden Festivalbesucher. Das Gewitter trifft das Festivalgelände mit voller Wucht. Blitze schlagen ein. Augenzeugen berichten von einem Blitz, der in eine Pfütze auf dem Campingplatz einschlägt und zahlreiche Menschen verletzt. Auch aus der Cateringmeile berichten Fans von einem Blitz und Verletzten. Beides deckt sich mit einer Blitzeinschlagkarte von „kachelmannwetter.de“. Auf dieser ist zu sehen, dass zwei Blitze im Bereich der Cateringmeile niedergegangen sind, ein oder zwei weitere im Bereich der Campingplätze.

Foto: Kevin Rühle

Selbst im Pressezentrum bricht Hektik aus. Die Kollegen, die vom Gelände zurückkommen, werden mit Schreien zur Eile angetrieben, das große Rolltor vor dem Pressehangar wird heruntergelassen. Wir sitzen mit den Kollegen im schummrigen Licht mit einem ganz schummrigen Gefühl, während draußen minutenlang Naturkräfte toben.

Nach rund einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Als die Tore des Journalistenhangars sich wieder öffnen, regnet es noch, aber der Himmel ist fast schon wieder hell. Auf dem Festivalgelände und den Campingplätzen herrscht Land unter. Wo vorher Schlamm war, gibt es nun kleine Seen. Wo vorher noch Wiese war, ist eine moorähnliche Landschaft entstanden. Viel schlimmer aber ist, dass im Bereich hinter den Bühnen sehr viel Blaulicht zu sehen, sehr viele Sirenen zu hören sind. Außerdem kreist ein Hubschrauber über dem Gelände, ein weiterer Rettungshubschrauber landet und hebt wieder ab.

Foto: Kevin Rühle

Doch die Fans sind nahezu unbegreiflich gelassen. Kein Anflug von Panik oder Angst, viele lachen oder singen schon wieder, die Ersten fangen an, durch den Schlamm zu schlittern und in Pfützen zu springen. Die einzigen Klagen, die vernehmlich zu hören sind, sind die über nasse Füße.

Gegen 21 Uhr beginnen auf den Bühnen die Vorbereitungen für die Bands, auf dem Gelände halten sich aber auch Gerüchte über einen Abbruch des Festivals. Gegen 21.15 Uhr bittet Festivalchef Marek Lieberberg die Fans per Durchsage von der Hauptbühne um Geduld und spricht von einer eventuell nahenden zweiten Gewitterfront. Aber schon um 21.45 Uhr wird das Programm fortgesetzt. Tenacious D spielen weiter und versuchen mit viel Humor, den Schrecken des Unwetters zu vertreiben. Während Tausende Fans tanzen, werden hinter den Kulissen noch Verletzte versorgt, Notfallpläne geschmiedet und Wetterberichte beobachtet.

Foto: Bröder

Und so geht der Schreckenstag auf dem Gelände mit dem Auftritt des Headliners Volbeat in die letzte Runde. Gegen 2.15 Uhr tanzen immer noch Tausende zu den Beats der vorletzten großen Band des Abends, Major Lazer.

Unterdessen gibt es im Netz und auf dem Gelände kritische Stimmen. Warum wurde erst so spät von der Bühne aus vor dem Gewitter gewarnt? Knapp zehn Minuten, bevor der erste Blitz einschlug? Aber auch: Sollte man das Festival nicht besser abbrechen? „Es ist damit zu rechnen, dass die Gewittergefahr vor allem von Samstagnachmittag bis Samstagabend und Sonntagnachmittag bis Sonntagabend zwischen 17 und 21 Uhr besteht“, teilt der Veranstalter noch in der Nacht auf seiner Internetseite mit. Eine ähnliche Wetterprognose für den Freitag endete mit einem Unwetter und mehr als drei Dutzend Verletzten.