„Tatort“: Nichts als Gespenster – Borowski jagt den stillen Gast

Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg, l.) mit Serienkiller Kai Korthals (Lars Eidinger), in dem der Polizist sein düsteres Selbst gespiegelt sieht.
Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg, l.) mit Serienkiller Kai Korthals (Lars Eidinger), in dem der Polizist sein düsteres Selbst gespiegelt sieht. Foto: ARD

Unser Redakteur Christian Kunst hat sich den neuen „Tatort“ aus Kiel angesehen (an diesem Sonntag, 20.15 Uhr, ARD). Sein Urteil: starke Dialoge, grandiose Schauspieler, gruselige Story.

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Kiel. Vorsicht! Wer nach diesem „Tatort“ ins Badezimmer geht und ein Knacken hört, dem dürfte es kalt den Rücken herunterlaufen. War Serienmörder Kai Korthals (grandios: Lars Eidinger) auch bei mir und hat womöglich das getan, was er am liebsten tut – an der Zahnbürste fremder Menschen geleckt? Korthals ist ein Gespenst in den Wohnungen fremder Menschen. Er nistet sich ein, ist unsichtbar, kommt durch die Wand, erzählen die Frauen, die seine Taten überlebt haben. Er ist der unsichtbare Gast. Er war der unscheinbare Paketzusteller, der Frauenmörder, der die Kollegin des Kieler Ermittlers Klaus Borowski (Axel Milberg), Sarah Brandt (Sibel Kekilli) bedrohte, der den beiden Ermittlern vor drei Jahren entwischt ist – eine Rarität in einem „Tatort“. Der Film von damals lief am Freitag im Fernsehen – und ist hier in der Mediathek der ARD abrufbar: „Borowski und der stille Gast“.

Christian Kunst
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Foto: Jens Weber

Jetzt ist Korthals zurück. Der Fall „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ beginnt mit einer Kühltruhe am Strand, aus der eine geistig verwirrte Frau steigt. Sie landet im Büro des Ermittlerduos. Doch erst langsam reift bei ihnen der Verdacht, dass Korthals dahinter steckt. Das Bizarre: Die Frau hat ein Kind, das Korthals bei sich behalten hat, das er dann aber zum Arzt bringt – die Brut des Massenmörders schreit nicht mehr. Das Kind landet in der Klinik. Korthals will es zurück haben, weil er endlich ein normales Leben führen möchte – und nimmt deshalb Borowskis frische Liebe, seine Ex-Kollegin Frieda Jung (Maren Eggert) ins Visier.

Dieser Fortsetzungsfilm, neudeutsch Sequel dürfte als eines der Meisterwerke in die Geschichte der „Tatort“-Reihe eingehen. Dazu tragen die großartigen Dialoge besonders zwischen Kommissar und Serienmörder sowie zwischen Borowski und Frieda Jung bei. Im Kampf gegen Korthals überschreitet der knorrige Kieler seine privaten und beruflichen Grenzen. Selten hat man so große Einblicke in die Sehnsüchte und Abgründe des Klaus Borowski bekommen. Er erzählt seiner Liebe und deren Mutter, dass er einst Verbrecher werden wollte, später Psychologe. Bis er erkannt habe, dass er beides sein kann – als Polizist. „Dann komme ich den Verbrechern sehr nah.“ Vielleicht zu nah in diesem besonderen Fall?

Dieser „Tatort“ geht unter die Haut. Etwa wenn Sarah Brandt von ihrer ersten Begegnung mit Korthals berichtet: „Seine Augen sind so schön, so böse. Solche Augen vergisst man nicht.“ Diesen Krimi auch nicht. Er ist wie ein Gespenst. Man weiß, dass das Gruseln stets wiederkommen kann. Die Frage ist: Kann Kommissar Borowski das gruselige Gespenst vertreiben?