Berlin

Zukunft der freiwilligen Rekruten ist ungewiss

So wie auf diesem Foto aus der Hunsrück-Kaserne in Kastellaun nahmen vor etwas mehr als einem Jahr viele Rekruten ihre Bettwäsche in Empfang. 
Sie waren die ersten Freiwilligen in der Bundeswehr.
So wie auf diesem Foto aus der Hunsrück-Kaserne in Kastellaun nahmen vor etwas mehr als einem Jahr viele Rekruten ihre Bettwäsche in Empfang. Sie waren die ersten Freiwilligen in der Bundeswehr. Foto: dpa

Jan-Piet Jaschinski war der Erste, den Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in der neuen Ära der Bundeswehr begrüßte. Zusammen mit ein paar Dutzend weiteren freiwillig Wehrdienstleistenden wurde er im Sommer 2011 in der Berliner Julius-Leber-Kaserne vom Oberbefehlshaber der Bundeswehr persönlich in Empfang genommen.

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Berlin. Jan-Piet Jaschinski war der Erste, den Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in der neuen Ära der Bundeswehr begrüßte. Zusammen mit ein paar Dutzend weiteren freiwillig Wehrdienstleistenden wurde er im Sommer 2011 in der Berliner Julius-Leber-Kaserne vom Oberbefehlshaber der Bundeswehr persönlich in Empfang genommen. Der Handschlag geschah vor einem Schild, auf dem in großen Lettern „Wir. Dienen. Deutschland“ stand – ein neuer Slogan, der das Ende der Wehrpflicht besiegeln und den Beginn der Freiwilligenarmee markieren sollte.

Jaschinskis Urgroßvater war Soldat, genauso wie sein Opa und sein Vater. In diese Traditionslinie wollte sich der 19-Jährige einreihen. Nach zwei Wochen kapitulierte er. „Das bietet mir hier zu wenig geistige Herausforderung“, verkündete er der Zeitung „Die Welt“. „Wir mussten zwei Stunden vor einem Gebäude strammstehen, nur um kurz hineinzugehen, eine Frage zu beantworten und eine Unterschrift abzugeben.“ Jaschinski schmiss hin und schrieb sich an der Universität für die Fächer Politik und Wirtschaftswissenschaften ein.

Wie er brach jeder vierte Freiwillige den Dienst vorzeitig ab. De Maizière sagte dazu in einem Zeitungsinterview, die Vorstellungen mancher junger Leute seien vielleicht etwas naiv: „Einige Rekruten überrascht es offenbar, dass sie morgens mit geputzten Stiefeln zum Dienst erscheinen sollen, in einer Stube mit mehreren Soldaten schlafen oder dass sie nur in der Raucherpause rauchen dürfen.“

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, sieht das Problem allerdings auch bei der Bundeswehr. „Einige Ausbilder sind ein bisschen von einem alten Geist bei der Bundeswehr beseelt“, sagte er in einem Interview. Es komme darauf an, dass die Soldaten fair und mit Respekt behandelt werden. Insgesamt sind aber sowohl de Maizière als auch Königshaus zufrieden mit der Zwischenbilanz nach einem Jahr ohne Wehrpflicht. 20 000 junge Leute haben sich für den freiwilligen Wehrdienst beworben, 12 000 davon wurden eingestellt, 9000 sind geblieben. De Maizière hatte als Zielmarke 5000 bis 15 000 Freiwillige ausgegeben. Auch die Befürchtung, dass das Bildungsniveau bei der Bundeswehr abstürzen könnte, bewahrheitete sich zunächst nicht.

Genau 52 Prozent der Rekruten haben die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife, 24 Prozent die Mittlere Reife und weitere 17 Prozent einen Berufsabschluss. Lediglich der Anteil der Frauen unter den Freiwilligen ist mit 6 bis 8 Prozent nicht zufriedenstellend. Die Bundeswehr will insgesamt eigentlich auf eine Frauenquote von 15 Prozent kommen.

Wie sich die Aussetzung der Wehrpflicht auf die Rekrutierung von Zeit- und Berufssoldaten auswirken wird, ist noch nicht abzuschätzen. Die Wehrpflichtigen waren früher eine sichere Bank für die Nachwuchsgewinnung. Jetzt steht die Bundeswehr voll und ganz im freien Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte. Für eine Stelle will sie auch langfristig zwischen drei Bewerbern auswählen können. Das entspricht bei den Männern zehn Prozent eines Jahrgangs.

Kein Wunder, dass Verteidigungsminister de Maizière jetzt verstärkt um Migranten werben will – allerdings nur um diejenigen, die einen deutschen Pass haben. Königshaus würde gern noch einen Schritt weiter gehen und auch Migranten ohne deutschen Pass den Zugang zu den Streitkräften ermöglichen. Eine Fremdenlegion wie in Frankreich lehnen Königshaus wie de Maizière aber ab.

Von Michael Fischer