Um jeden Euro wird erbittert gefeilscht: So backt das Land kleine Brötchen

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Rheinland-Pfalz. Der Job des rheinland-pfälzischen Finanzministers und auch der des Finanzstaatssekretärs ist dieser Tage nicht vergnügungssteuerpflichtig.

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Rheinland-Pfalz – Der Job des rheinland-pfälzischen Finanzministers und auch der des Finanzstaatssekretärs ist dieser Tage nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Das Spitzenduo Carsten Kühl (SPD) und Salvatore Barbaro (SPD) muss sämtliche Haushaltstitel kneten und wringen, bis die letzten Tropfen Einsparpotenzial im Topf sind. In den interministeriellen Runden wird gefeilscht und geklagt, diskutiert und dramatisiert. Das gehört zum Geschäft. Kein Minister lässt sich gern eine finanzielle Diät verordnen, die seinen (ohnehin beschränkten) Gestaltungsspielraum einengt. Doch was sind die Kriterien für die großen Sparrunden im Land – und wie läuft dieser Prozess eigentlich ab?

Ursprünglich sollte der Ausgabengürtel jedes Jahr um 220 Millionen Euro enger geschnallt werden. Das war der Stand zum Ende der rot-grünen Koalitionsverhandlungen. Zielvorgabe: Bis 2020 muss das strukturelle Defizit im Landeshaushalt auf null runter (wegen der Schuldenbremse). Und: Die Netto-Neuverschuldung darf nicht höher sein als die investiven Ausgaben (wegen der Verfassung).

Mehr Steuern als kalkuliert

Da die Steuern reichlicher fließen als am 18. Mai kalkuliert, sind nach aktuellen Schätzungen pro Jahr nur noch 206 Millionen Euro fällig. Etwa zwei Drittel dieses Spar-Batzens wurden bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Das Paket ist bekannt und enthält unter anderem die geringeren Gehaltszuwächse im öffentlichen Dienst, den Stellenabbau bei der Polizei, keine Straßenneubauten oder etwa die Schrumpfkur der Katasterverwaltung. Ein Drittel war aber noch offen – und dieses letzte Stück vom Sparkuchen schmeckt meistens besonders bitter.

Die nervenaufreibende Kleinarbeit, also das Ringen um jeden Haushaltstitel, müssen die Staatssekretäre erledigen – in Absprache mit der jeweiligen Hausspitze. Oberstes Kriterium für den vorliegenden Entwurf: Die rot-grünen Kernthemen Bildung, Stärkung der Kommunen und Energiewende genießen Priorität. Unterhalb dieses Leitsatzes gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten zum Einsparen:

  • Projekte, die auslaufen, werden in der Regel nicht verlängert.
  • Streichen Bund oder Europäische Union bei kofinanzierten Ausgabeposten die anteilige Förderung, zieht das Land ebenfalls seine Mittel ab.
  • Alle Ressorts müssen Drittmittel anwerben und nicht einfach beim Finanzminister die Hand aufhalten. Beispiele, wo dieses Prinzip funktioniert hat, sind das Mainzer Institut für Europäische Geschichte (1,2 Millionen Euro eingespart) oder der Bau des Archäologischen Zentrums in der Landeshauptstadt (875 000 Euro eingespart).
  • Die Sparschere wird zudem bei konjunkturbedingten Mitteln angesetzt. Ein Beispiel: Die Arbeitslosigkeit geht runter, also können auch Fördermittel (etwa für die Aus- und Fortbildung) verringert werden. Im Finanzministerium will man von dem Prinzip weg: Läuft die Konjunktur schlecht, werden die Gelder aufgestockt. Läuft sie gut, bleibt es dabei. Läuft sie wieder schlecht, wird weiter draufgepackt.

Reicht all das nicht, geht es noch mal an die Fördertöpfe (etwa die Wirtschaftsförderung) ran, oder es werden finanzielle Zuwendungen gestrichen, die sinnvoll, aber nicht zwingend sind. Spätestens da beginnt „Blut zu fließen“. Denn gerade die vielen kleinen Gaben halten die eigene Klientel bei Laune. Doch die Mühe hat sich offenbar gelohnt: Denn die anstrengenden Staatssekretärsrunden haben noch einmal ein Einsparvolumen von 250 bis 300 Millionen Euro für den Doppelhaushalt 2012/13 eingebracht. Ohne diese nervige Detailarbeit wäre die Nettoneuverschuldung bis 2013 niemals auf 932 Millionen Euro zu drücken gewesen.

Knapp über Verfassungsgrenze

Trotz harter Einschnitte ist der neue Doppelhaushalt nur 136 Millionen Euro von der Grenze entfernt, hinter der er nicht mehr verfassungsgemäß wäre. Um 136 Millionen Euro übersteigen die Investitionen die Netto-Kreditaufnahme. Will heißen: Wird diese eiserne Grenze unterschritten, investiert das Land weniger in die Zukunft, als es Schulden macht. Und das wäre eindeutig gegen die Verfassung. Passiert das, trägt der letzte Rettungsanker einen sperrigen Titel: die „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“. Kann man diese feststellen, gelten alle Verfassungsregeln nicht mehr. Im Finanzministerium hält man diesen Tatbestand (vorsorglich) für gegeben. Begründung: Die (eigentlich überwundene) schwere Finanzkrise von 2008/2009 macht sich im Etat noch mit Steuermindereinnahmen von 1 Milliarde Euro bemerkbar. Doch zieht das Argument wirklich angesichts der Tatsache, dass die Konjunktur brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Steuerquellen sprudeln?

Zum Schluss der Blick über den aktuellen Doppelhaushalt hinaus: Wer die Schuldenbremse einhalten will, muss weit in die Zukunft schauen. Daher legt die rot-grüne Landesregierung eine mittelfristige Finanzplanung („Finanzplan 2011 bis 2016“) vor. Das dazugehörige Balkendiagramm zeigt eine absteigende Treppe. Am Ende, im Jahr 2020, kommt sie bei null an. Doch schlummern in dieser finanzpolitischen Vorausschau durchaus Risiken. Beispielsweise darf die Konjunktur nicht wegbrechen. Die Euro-Krise könnte den rheinland-pfälzischen Kämmerern noch leicht den Boden unter den Füßen wegziehen. Dietmar Brück