Sicherheitsrisiko Trump? Wie ein Mann die Weltarchitektur verändern könnte

Wie wird die Wahl Donald Trumps die Welt verändern?
Wie wird die Wahl Donald Trumps die Welt verändern? Foto: dpa

Droht der Welt nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ein neuer Handelskrieg? Und muss sich Europa darauf einstellen, sicherheitspolitisch künftig ohne den großen Bruder USA mit Putins Russland klarzukommen?

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Wir sprachen mit den Politikwissenschaftlern Prof. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München und Dr. Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies auch über die Frage, ob die Nato in Gefahr ist und ob deutschen Autobauern Strafzölle drohen.

Erhöht sich mit Donald Trump als US-Präsident die Kriegsgefahr in der Welt?

Wahrscheinlich nicht unmittelbar. „Im gesamten Wahlkampf hat sich Donald Trump nicht dahin gehend geäußert, dass man mit einer erhöhten Kriegsgefahr irgendwo rechnen müsste“, sagt Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Aber Trump hat signalisiert, dass sich die USA künftig stärker aus Konflikten heraushalten will. Daher bleibt fraglich, ob sich dadurch andere Staaten ermutigt fühlen könnten, Kriege zu führen. „Da muss man abwarten, was dieses angekündigte Heraushalten tatsächlich bedeutet und wie die USA reagieren, sollten sie getestet werden.“

Trump hat im Wahlkampf ja in der Tat angekündigt, dass die USA unter ihm nicht mehr den Weltpolizisten spielen wollen. Muss sich die EU etwa in Osteuropa darauf einstellen, künftig allein dazustehen?

Auch Trump ist durch Artikel 5 des Nato-Vertrags an die Beistandspflicht im Ernstfall gebunden, betont Dr. Martin Thunert, Politikwissenschaftler am Heidelberg Center of American Studies. Demnach ist es also eher nicht zu erwarten, dass er etwa Estland einfach an die Russen ausliefern würde. Doch Trump dürfte sicher nicht nur in Sonntagsreden einen höheren Verteidigungsanteil der Europäer einfordern. Und auch Masala ist überzeugt: „Wir werden uns sicher darauf einstellen müssen, mehr Geld für die europäische Sicherheit in die Hand nehmen zu müssen.“ Denn Trump ist Geschäftsmann, der nicht 30 Jahre warten will, bis sich seine Investitionen zurückzahlen. So sieht er nach Thunerts Ansicht auch die Weltpolitik. Da scheinen Irritationen programmiert. Vor allem asiatische Länder können künftig wohl nicht bei jeder Provokation damit rechnen, dass die USA sie raushaut.

Welche Folgen hätte es denn konkret, wenn die USA nicht mehr für den Schutz Europas garantieren?

„Wenn die nukleare Schutzgarantie, die die USA den Europäern seit 1948 aussprechen, wegfällt, wird es in Europa eine neue Debatte über Nuklearwaffen geben. Und das wird wahrscheinlich keine Debatte über Nuklearwaffen der EU sein, sondern einzelne Staaten werden sich überlegen, ob sie Atomwaffen brauchen, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten“, erklärt Masala und führt als Beispiel Polen an, das sich viel stärker von Russland bedroht fühlt als beispielsweise Deutschland.

Ist also auch die Nato in Gefahr?

Nein. Da ist Trump an einen völkerrechtlichen Vertrag gebunden. Den müsste man mit einer Zweidrittelmehrheit im Senat, die Trump nicht hat, aufkündigen. „Es geht eher um die Frage, wie das Engagement der USA in der Nato unter Trump aussehen wird und ob es weiterhin umfangreiche Sicherheitsgarantien gibt“, sagt Masala. Auch Thunert glaubt nicht, dass der Nordatlantikvertrag auf dem Spiel steht: „Dass er die Nato verlässt, kann ich mir kurzfristig nicht vorstellen.“

In Rheinland-Pfalz gibt es zahlreiche US-Standorte wie Ramstein oder Baumholder. Könnte Trump hier Truppen abziehen?

Über solche Detailfragen dürfte sich Trump bisher wohl noch nicht den Kopf zerbrochen haben, glaubt Thunert. Aber die Ramstein Airbase beispielsweise ist ohnehin keine Einrichtung zum Schutz Deutschlands, sondern eher eine Art Flugzeugträger der Amerikaner. „Da würden sich die USA ins eigene Fleisch schneiden“, ist der Heidelberger Politikwissenschaftler überzeugt.

Dr. Martin Thunert ist habilitierter Politikwissenschaftler und Nordamerikaexperte und arbeitet am Heidelberg Center for American Studies und am Institut für Politikwissenschaft der Uni Heidelberg. Zu seinen jüngsten Veröffentlichen zählt:
Dr. Martin Thunert ist habilitierter Politikwissenschaftler und Nordamerikaexperte und arbeitet am Heidelberg Center for American Studies und am Institut für Politikwissenschaft der Uni Heidelberg. Zu seinen jüngsten Veröffentlichen zählt: „Entzauberung. Skizzen und Ansichten zu den USA in der Ära Obama“, Budrich-Verlag 2015.
Foto: privat

Welche Folgen hätte es, wenn die Vereinigten Staaten weltweite Krisengebiete künftig sich selbst überlassen?

Masala sieht Konfliktpotenzial, wenn sich die Vereinigten Staaten aus ihrer pazifizierenden Rolle in Asien zurückziehen. „Das würde den Chinesen in Asien freie Hand geben, die ja schon in den vergangenen Monaten zunehmend auf militärischen Druck setzten“, erklärt Carlo Masala. China versucht seit Längerem verstärkt, in Asien eine Vormachtstellung zu erlangen. „Bislang haben die USA die asiatischen Verbündeten in ihren Bemühungen gestärkt, dem chinesischen Druck standzuhalten. Halten sich die USA künftig heraus, wird es auch in Staaten wie Japan eine Debatte über Atomwaffen geben“, erklärt Masala. Gleichzeitig würden wohl kleinere Staaten wie Kambodscha oder Vietnam dem chinesischen Druck hilflos aufgeliefert sein und in dessen Einflussbereich abgleiten.

Donald Trump hat sich bereits als Putin-Fan geoutet. Ist das die Basis für eine Männerfreundschaft, die auch in eine politische Annäherung münden könnte?

Trump und Putin haben sich noch nie getroffen, kennen sich also nicht persönlich. Nach Ansicht von Thunert könnten aber in Syrien durchaus gewisse Übereinstimmungen mit Putin bestehen, die bisher eher schwer mit westlichen Vorstellungen in Einklang zu bringen waren. „Aber da ist Trump noch Novize“, betont Thunert. Zumal die Lage im Nahen Osten hochkomplex ist. „Ich glaube nicht, dass er da schon die Einzelheiten durchdrungen hat.“ Grundsätzlich dürfte Trump die Russen aber nicht immer nur als Gegner sehen. Trotz aller Differenzen. Der Münchner Politologe Masala sieht das anders: „Ich denke, dass es inkompatible Interessen zwischen Amerikanern und Russen gibt.“ Als Beispiele nennt er mehrere aktuelle Konflikte: „Die Ukraine will einen europäischen Weg beschreiten, die USA akzeptieren das. Putin dagegen will das unter allen Umständen verhindern“, sagt Masala. Auch die Raketenabwehr, die im Interesse der USA ist, steht den Interessen Putins diametral gegenüber. Eine Annäherung auf rhetorischer Ebene hält Masala für möglich, nicht aber in substanziellen Fragen.

Wird das Wahlergebnis Auswirkungen auf den Syrien-Krieg haben?

Wohl kaum. „Bewegung im Syrien-Konflikt wird es nur dann geben, wenn man Assad als Verhandlungspartner akzeptiert“, erklärt Masala. Doch selbst wenn sich Trump mit dem Autokraten an den Verhandlungstisch setzen würde, bräuchte er dafür zumindest Zustimmung aus den eigenen Reihen. „Die republikanische Partei ist aber sehr stark gegen Assad eingestellt“, sagt Masala.

Donald Trump hat im Wahlkampf angekündigt, das Atomabkommen mit dem Iran annullieren zu wollen. Geht das so einfach?

Nein. Denn auch das Abkommen mit dem Iran ist ein völkerrechtlicher Vertrag, für dessen Kündigung er sich eine Zweidrittelmehrheit im Senat besorgen müsste. „Aber die hat er dafür nicht, und ob Demokraten einem solchen Vorhaben zustimmen würden, ist äußerst fraglich“, sagt Masala. Außerdem habe auch Russland kein Interesse daran, die bestehende Abmachung wieder zu kippen. Schließlich saß Moskau damals mit am Verhandlungstisch.

Stichwort Freihandel. Das deutsch-amerikanische Abkommen stand ohnehin auf der Kippe. Ist TTIP mit Trumps Wahl jetzt tot?

TTIP ist erst mal nur auf Eis gelegt, findet der Politikwissenschaftler Thunert. Darauf, dass das Abkommen schon mausetot ist, will er sich aber noch nicht festlegen. Es könnte dem Abkommen seiner Meinung nach sogar ganz guttun, wenn erst mal ein kleiner Winterschlaf ansteht. Jetzt kommt es auch darauf an, wer Donald Trumps Handelsbeauftragter wird. Denn bei den Republikanern sind längst nicht alle gegen den Freihandel. Im Gegenteil. Es könnte laut Thunert also durchaus sein, dass das Abkommen im Sommer wiederbelebt wird. „Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Obama das schon ausverhandelte Transpazifische Partnerschaftsabkommen TTP jetzt noch schnell durch den Kongress peitscht, um Trump zu ärgern.“

Besteht denn die Gefahr, dass Trump bei anderen Handelsabkommen nachverhandeln wird?

Das kann sich Thunert durchaus vorstellen. Insbesondere die nordamerikanische Freihandelszone Nafta könnte noch mal auf den Prüfstand kommen. Wobei Kanada weniger problematisch sein dürfte. Im Fall von Mexiko sieht es hingegen anders aus. Dessen Beitritt zur Nafta wurde schon 1994 in den USA äußerst kritisch gesehen.

Müssen deutsche Autobauer jetzt Strafzölle befürchten?

Erst mal eher nicht, ist Thunert überzeugt. „Zunächst wird sich Trump wohl die amerikanischen Unternehmen vorknöpfen.“ Treffen könnte es demnach etwa die Vorsitzenden von Ford und General Motors. Nach dem Motto: „Wenn ihr glaubt, im Ausland billig Autos und Autoteile zu produzieren, um sie dann zollfrei in die USA zu reimportieren, dann habt ihr euch geschnitten.“ Das dürfte kein unrealistisches Szenario sein, damit Trump zeigen kann, dass er in dieser Hinsicht umsteuert. Schon allein, um die Menschen aus dem Rostgürtel nicht zu enttäuschen, die von den Demokraten zu ihm übergelaufen sind.

Die Börsen haben zunächst höchst nervös reagiert. Hat die Wirtschaft Angst vor Donald Trump?

Nicht unbedingt vor Trump, eher vor der Unsicherheit, glaubt Thunert. Denn keiner weiß im Moment so genau, was er tun wird. Dass Trump in jede Richtung losgehen kann, macht die Börse nervös. Nach Ansicht von Prof. Masala hätte ein Ausstieg der USA aus dem Freihandel in jedem Fall enorme Konsequenzen für die Weltwirtschaft. „Eine Renationalisierung von Handelspolitik kann auch wieder zu Handelskriegen führen. Wenn er Strafzölle auf chinesische Produkte legt, wird das von China definitiv nicht stillschweigend hingenommen“, erklärt der Experte für Sicherheitspolitik. Masala hält es für möglich, dass China dann wiederum über die Kredite, die es den USA gibt, Druck ausübt.

Sind die US-Wahlen auch Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten in Europa?

Die Methode Trump, der weder vor Beleidigungen noch vor Lügen und dem Zurechtbiegen von Fakten zurückschreckt, könnte Thunert zufolge Nachahmer finden. „Aber nicht jeder Geert Wilders ist Trump“, sagt der Politikwissenschaftler. Auch die Law-and-Order-Themen wie Grenzsicherungen könnten Schule machen. Etwa im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2017. Auch nach Masalas Einschätzung ist Trumps Sieg zugleich ein Sieg der Populisten in der Welt. „Es ist ein Sieg für all diejenigen, die gegen die liberale Weltordnung sind.“ Seiner Meinung nach ist Trump Vorbild für europäische Populisten, die sich durch dessen Sieg in den USA nun im Aufwind sehen. „Es wird darauf ankommen, wie schnell er seine Versprechen umsetzen wird und wie erfolgreich er damit sein wird. Hat er Erfolg, könnte das für europäische Populisten enormen Rückenwind bedeuten“, sagt Masala. Für den rheinland-pfälzischen AfD-Fraktionschef Uwe Junge ist die Wahl „ein Aufwind für alle Realisten in Europa“.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Trump einen Hassprediger genannt. Könnte das die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten?

Sollte Steinmeier kein Bundespräsident werden, wird er zunächst nicht auf Trumps Augenhöhe agieren. Vielmehr wird er sich zunächst mit einem US-Außenminister auseinandersetzen müssen, der noch gar nicht feststeht. „Noch nicht mal Trump weiß das“, vermutet Thunert. Aber Trump könnte Steinmeiers Äußerung auch sportlich sehen. „Gerade weil Trump aus dem Showbusiness kommt, weiß er, wann andere auf Theatralik setzen müssen“, glaubt Thunert.

Wird Trump einen Draht zu Angela Merkel finden?

Schwer zu sagen. Vor ihrer Flüchtlingspolitik hat Trump die Kanzlerin noch für ihre Wirtschaftspolitik gelobt. Im Wahlkampf hat er hingegen behauptet, dass Hillary Clinton die amerikanische Angela Merkel werden und unkontrolliert Flüchtlinge ins Land lassen will. Dass er nun überraschend Präsident geworden ist, dürfte Merkel frustrieren. „Es gibt Stimmen, die behaupten, dass sie die US-Wahlen bewusst abgewartet hat, bevor sie sich entscheidet, ob sie 2017 wieder antreten wird“, sagt Thunert. Sicher scheint in jedem Fall: „Ein Fest der Liebe wird das erste Treffen mit Trump nicht werden.“

Unsere Politikredakteure Stefan Hantzschmann und Dirk Eberz haben mit Sicherheitsexperten darüber gesprochen, wie die Wahl Donald Trumps die Welt verändern und welche Folgen sie für Europa haben wird.