Prozess: Familien der Opfer wollen Gerechtigkeit

München/Berlin – Mit gemischten Gefühlen blicken viele Angehörige der Mordopfer des Nationalsozialistischen Untergrunds auf den kommenden Montag. Dann beginnt in München der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier Helfer der Terrorzelle. An diesem Tag werden die Familien, die ihre Liebsten verloren haben, erstmals der Hauptangeklagten ins Gesicht sehen.

Lesezeit: 1 Minute
Anzeige

„Es ist eine seelische Herausforderung für sie, diesen Prozess zu begleiten“, sagt die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John. John steht fast täglich im Kontakt mit den meist türkischstämmigen Hinterbliebenen. 26 Angehörige wollen als Nebenkläger nach München kommen, sagt John. „Sie erhoffen sich auch Klarheit.“

Angehörige sind verunsichert

Die Familien bereiten sich nicht zum ersten Mal mental auf den Prozess vor. Wegen wochenlanger Querelen um die Vergabe der Presseplätze verschob das Gericht den Beginn kurzfristig um fast drei Wochen. „Es strapaziert die Nerven von allen Menschen, die zum Prozess fahren, und besonders die der Angehörigen“, sagt John.

Die Verunsicherung sei dadurch noch größer geworden. „Die Enttäuschungen, kann man sagen, steigern sich nun langsam ins kaum noch Fassbare.“ Daher sei es so wichtig, dass endlich damit begonnen wird, Recht zu sprechen. Die drei NSU-Terroristen sollen zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen getötet haben. Über Jahre wurden die Täter vor allem in den Reihen der Familien selbst gesucht.

Die Pannen bei den Ermittlungen kamen erst nach dem Auffliegen der rechten Terrorzelle Ende 2011 ans Licht. Zschäpe ist das einzige noch lebende Mitglied. Ihr wird Mittäterschaft bei allen Verbrechen der Terrorgruppe vorgeworfen. Die mutmaßlichen Mörder, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, nahmen sich 2011, umstellt von der Polizei, das Leben.

Nebenkläger fordern Aufklärung

Der Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler vertritt zwei Familien als Nebenkläger. „Es geht ihnen um Gerechtigkeit und Aufklärung“, sagt Daimagüler über die türkischstämmigen Frauen, die Vater oder Ehemann verloren haben. Sie sind aufgeregt, angespannt und entsetzt über die Enthüllungen der vergangenen Monate. Daimagüler beklagt, der Staat habe seine Bürger nicht vor dem Terror von rechts schützen können.

„Jetzt wollen wir, dass der Rechtsstaat in Form des Gerichtsverfahrens funktioniert“, sagt der Jurist. „Denn es hinterlässt einen unguten Beigeschmack, wenn eben schon bei den Formalien Fehler begangen wurden.“