Mainz

Nach der Wahl ist vor dem Mittagessen

Essen Sie gerade? 67 Prozent aller Deutschen lesen beim Frühstück Zeitung, hören Radio oder sehen Fernsehen, wobei sie beim Fernsehen meist Hemd oder Bluse bügeln, damit das Gehirn was zu tun hat.

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Mainz – Essen Sie gerade? 67 Prozent aller Deutschen lesen beim Frühstück Zeitung, hören Radio oder sehen Fernsehen, wobei sie beim Fernsehen meist Hemd oder Bluse bügeln, damit das Gehirn was zu tun hat.

78 Prozent unterhalten sich beim Frühstück. Sagt die Nutella Frühstücks-Studie, und die muss es wissen. Ob beim Zeitunglesen oder bei den Tischgesprächen, heute gibt es in Mainz wahrscheinlich nur ein Thema: nein, nicht das Zweizueinsgegennürnberg, die OB-Wahl.

Gehören Sie, oder, noch schlimmer, gehört jemand anderes an Ihrem Frühstückstisch auch zum Typ „Ich hab’s gewusst“? Diese Menschen können einem hinterher genau erklären, warum es bei der Wahl so kommen musste, wie es kam, und dass sie von vorneherein Bescheid wussten. Neurologen nennen solche Menschen Post-Prognostiker. Das sind diejenigen, die nach der Ziehung der Lottozahlen immer sechs Richtige angekreuzt hätten. Ich bin fest überzeugt, die haben schon als Kind Lückentexte auswendig gelernt, in die sie dann nach jeder Wahl die dann passenden Parteien & Personen reinsprechen.

Damit soll nix gegen auswendig Gelerntes gesagt werden. Wie arm wäre unser Leben ohne Textbausteine! Das gilt nicht nur für das Zusammenleben in Familie und Beruf, sondern auch für Wahlkämpfe. Textbausteine sind wichtig bis zuletzt, wenn die Kandidaten am Wahlabend vor die Mikrofone treten. Da haben wir zunächst die Dank-Bausteine. Gedankt wird, wenn’s gut gelaufen ist, den Wählerinnen und Wählern für ihr Vertrauen, wenn nicht, nur der Partei und den vielen Unterstützern.

Im Analyseteil, der darf nicht fehlen, beginnt bei schlechtem Ausgang einer der beliebtesten Bausteine mit: „Offenbar ist es uns nicht gelungen, unsere Botschaften …“, bei gutem: „die Wählerinnen und Wähler haben genau gewusst …“. Zu den unschlagbaren Klassikern gehören aber „Wir werden das intern in aller Ruhe analysieren.“ und die finstere Ankündigung „Jetzt ist nicht die Stunde für Schuldzuschreibungen“.

Das Wunderbare der gestrigen Wahl ist ja, dass es diesmal ziemlich durcheinander ging und der Wahlkampf in den letzten Tagen eine unerwartete Wendung nahm. Das macht den Post-Prognostikern das Texten schwer. Dass sich das so entwickeln würde, konnte niemand voraussehen.

Außer mir.

Büb Käzmann alias Markus Höffer-Mehlmer ist Kabarettist und lebt gerne in Mainz (www.bueb-kaezmann.de)