Berlin

Mai 2013: Millionengrab Euro-Hawk

Als der CDU-Politiker Thomas de Maizière im März 2011 Nachfolger von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird, da rechnet die Republik nicht damit, dass der eher blasse Bürokrat de Maizière Opfer einer Affäre werden könnte. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist ihr damaliger Innenminister eine Allzweckwaffe, die jetzt eben die heiß umstrittene Bundeswehrreform geräuschlos über die Bühne bringen soll.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von unserem Redakteur Christian Kunst

Zwei Jahre später steht der 59-Jährige im Kreuzfeuer der Kritik. Anders als bei seinem Vorgänger holt de Maizière nicht die eigene Vergangenheit als Plagiator ein, sondern ein altes Dauerprojekt, das schon Guttenbergs Vorgänger beschäftigte: die Drohne Euro-Hawk.

Über viele Jahre hat das Ministerium 668 Millionen Euro in die Entwicklung des unbemannten Aufklärungsfliegers gesteckt. Am Ende stellt sich heraus, dass noch einmal bis zu 600 Millionen Euro fällig würden, um die Drohne für den deutschen Luftraum zuzulassen. Dem Minister wirft insbesondere die Opposition vor, zu spät auf diese Probleme reagiert zu haben, obwohl er frühzeitig davon gewusst habe. Als immer mehr Details über die technischen Unzulänglichkeiten der Drohne bekannt werden, fordern SPD und Grüne de Maizière zum Rücktritt auf. Schließlich bezichtigen sie den CDUMinister der Lüge und setzen mitten im Bundestagswahlkampf einen Untersuchungsausschuss ein.

Ins Visier geraten im Ausschuss neben de Maizière auch seine Amtsvorgänger von der CDU (Franz Josef Jung) und SPD (Rudolf Scharping). Die wehren den Vorwurf eines „Geburtsfehlers“ des Euro Hawk während ihrer Amtszeit entschieden zurück. Aus Sicht der schwarz-gelben Koalition wurden die Weichen für das Projekt schon unter Rot-Grün – mehr als zehn Jahre vor dem Amtsantritt de Maizières – falsch gestellt. 1998 wurden die „musealen“ Aufklärungsflugzeuge vom Typ Breguet Atlantic ausgemustert. Die Euphorie war ob des erhofften Technologiesprungs durch die geplanten Drohnen so groß, dass sie schon damals die Bedenken überlagerten. Leichtfertig, kritisiert Schwarz-Gelb, wurde die Voraussetzung einer Luftverkehrszulassung von „Muss“ in „Soll“, für den Prototyp sogar in eine „Kann“-Bestimmung herabgestuft.

Doch trotz all dieser Erklärversuche gerät de Maizière gehörig ins Trudeln, weil er die Schuld nicht nur bei seinen Vorgängern sucht, sondern auch bei seinen Staatssekretären. Amtsvorgänger Scharping nimmt ihn deshalb im Untersuchungsausschuss aufs Korn: Es gebe nicht nur eine Bringschuld der Mitarbeiter, sondern auch eine Holschuld des Ministers: „Wenn die Führungsebene die Dinge nicht kontinuierlich begleitet, lernt der nachgeordnete Bereich nie, dass die Sache ernst gemeint ist.“ Das Problem für de Maizière: Wer die Schuld eine Etage tiefer sucht, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sein Haus nicht im Griff zu haben. Genau das ist die Erkenntnis der Opposition am Ende der Ausschussarbeit. Schwarz-Gelb und vor allem Kanzlerin Merkel halten an de Maizière fest. Der ist am Jahresende wieder Innenminister. Ursula von der Leyen wird neue Verteidigungsministerin – vielleicht weil sie die Stürme des Amtes leichter durchstehen kann.