Berlin/Mainz

Integration: CDU schwächt Plan beim Mindestlohn ab

Mindestlohn
CDU und Arbeitgeber wollen für Flüchtlinge Ausnahmen vom Mindestlohn, die SPD dagegen fürchtet den Unmut deutscher Niedriglohn-Bezieher. Foto: Arno Burgi/Archiv

Die SPD lehnt Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge kategorisch ab und sieht sich nach einer geänderten CDU-Forderung in ihrem Kurs bestätigt. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt gegen andere Arbeitnehmer ausgespielt werden. Das hat die CDU nun offenbar in letzter Minute selbst gemerkt“, erklärte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley nach einer Sitzung des Parteipräsidiums in Mainz.

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Von Dietmar Brück, Christoph Erbelding und Birgit Marschall

Die CDU wollte zunächst, dass der Mindestlohn für Flüchtlinge in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht gelten sollte. Damit sollten Asylbewerber und Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung Langzeitarbeitslosen gleichgestellt werden. Nun fordert die Union für Flüchtlinge nur die Verlängerung von Praktikumszeiten, bei denen vom Mindestlohn abgewichen werden kann, auf mindestens sechs Monate. Im Grundsatz gilt der Mindestlohn allerdings auch für Praktikanten.

CDU-Vize Julia Klöckner hat die SPD dazu aufgerufen, den Vorschlag ihrer Partei mitzutragen. „Wir müssen doch alles unternehmen, damit Flüchtlinge mit Bleibeperspektive dauerhaft ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, und dazu müssen sie erst mal einen Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen.“

SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatten den ursprünglichen CDU-Vorschlag zum Mindestlohn scharf kritisiert. Flüchtlinge dürften nicht als „Lohndrücker“ eingesetzt werden, meinte der Bundesvorsitzende. „Das ist ein Aufbauprogramm für die AfD“, warnte Gabriel. Die Genossen wollen am Mindestlohngesetz nicht rütteln. „Sonst würde man die Armen, die kommen, gegen die Armen, die da sind, ausspielen.“ Der SPD-Bundeschef kritisierte zudem, dass die CDU die Kosten für ihre Integrationspläne nicht beziffere. Die SPD hatte im Dezember ihr Integrationskonzept vorgestellt, das Hunderttausende neue Wohnungen und Zehntausende Jobs und Kitaplätze umfasst. Die Kosten waren für den Bund mit 3 bis 5 Milliarden Euro angegeben worden. Das Konzept, das mittlerweile bei der SPD unter dem Namen „Dreyer-Plan“ firmiert, wird weiter fortgeschrieben.

Für den Soziologen Prof. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz stellt die Abschwächung des Plans beim Mindestlohn für Flüchtlinge durch die CDU nur „auf den ersten Blick“ kein Problem mehr dar. Sell betont: „Es lohnt, genauer hinzuschauen: Im alten Modell wäre der Flüchtling eingestellt worden, und man hätte ihn in den ersten sechs Monaten – maximal ein Drittel – unter dem Mindestlohn bezahlen können. Jetzt könnte man ihn als Praktikanten beschäftigen, für die es überhaupt keine Vergütungsregelungen gibt.“ Der Soziologe weist darauf hin, dass die Rechte, die ein Arbeitnehmer genießt, in der neuen Regelung ausgehebelt werden und der Weg in ein Angestelltenverhältnis komplizierter erscheint: „Asylberechtigte fallen in die Zuständigkeit der Jobcenter und bekommen Hartz-IV-Leistungen. Wenn man nach dem Praktikum eine Einstellung vornimmt, muss man zwar den Mindestlohn zahlen, die ersten sechs Monate sind aber Probezeit im neuen Arbeitsverhältnis. Möglicherweise besteht die Gefahr, dass die Praktikumsregelung im Ergebnis zu schlechteren Bedingungen führt als der ursprüngliche Plan, denn der Arbeitgeber ist ja nicht verpflichtet, den Praktikanten einzustellen.“