Mainz

Fontana-Klinik für große OPs ungeeignet?

Fontana-Klinik in Finthen. 
Foto: Braun
Fontana-Klinik in Finthen. Foto: Braun

Der Heilbronner Anästhesist und Intensivmediziner Dr. Uwe Schulte-Sasse sieht in der Fontana-Schönheitsklinik „grobe Mängel in der Überwachungs- und Rettungsstruktur“. Es fehle die Infrastruktur, um typische schwere Komplikationen nach einem Gesichtslifting zu beherrschen.

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Mainz – Der Heilbronner Anästhesist und Intensivmediziner Dr. Uwe Schulte-Sasse sieht in der Fontana-Schönheitsklinik „grobe Mängel in der Überwachungs- und Rettungsstruktur“.

Es fehle die Infrastruktur, um typische schwere Komplikationen nach einem Gesichtslifting zu beherrschen, sagte er als vom Gericht bestellter Gutachter beim Schadenersatzprozess im Wachkoma-Fall. „Die OP hätte nicht begonnen werden dürfen“, so Schulte-Sasse an die Adresse von Klinikleiter Dr. Klaus G. Niermann. „Die Versorgung nach einem achtstündigen Facelift ist eine Herausforderung. Es droht der Tod durch Ersticken.“

Zu den typischen Komplikationen nach Gesichts-OPs gehörten Schwellungen im Halsbereich, wodurch die Atemwege verschlossen werden. Gefördert werden solche Schwellungen, wenn Schmerzen den Blutdruck steigen lassen. Schmerzmittel sollten daher schon vorbeugend gegeben werden und nicht erst, wenn Patienten über Schmerzen klagen so wie die spätere Wachkoma-Patientin.

Für die Schmerzbehandlung sei außerdem der Chirurg zuständig, in diesem Fall Klaus G. Niermann. Stattdessen gab die Nachtwache aus einer Spritze Schmerzmittel auf Anweisung des Anästhesisten.

Zudem sei nicht klar geregelt gewesen, wer für das Aufräumen des OP-Saals und die Entsorgung von Medikamenten zuständig ist. Weiter fehlten klare Absprachen bei der Übergabe an die Nachtwache. Schulte-Sasse sprach von „unklaren Anordnungen an das nicht qualifizierte Personal“. Der Vermerk „Infusionsrest i.V.“ sei mindestens zweideutig. Einträge auf dem Anordnungsbogen müssten stets genaue Bezeichnung, Mengen und Uhrzeit umfassen.

Die Nachtwache sei für die ihr übertragenen Aufgaben nicht qualifiziert gewesen. So sollte die Medizinstudentin unter anderem intravenös Medikamente verabreichen, was sie auch tat. Selbst speziell qualifiziertes Personal dürfe dies nur, wenn ein Arzt in Rufweite sei.

Auch die Internet-Seite der Fontana-Klinik nahm Schulte-Sasse kritisch unter die Lupe: Formulierungen wie „kompetente Betreuung“ oder „eigene Anästhesie-Abteilung“ sowie „Weiterbildung im Nofallmanagement“ würden Erwartungen der Öffentlichkeit befriedigen und bei potenziellen Patienten „Vertrauenserwartungen setzen“. Die OP sei nicht durch die Einwilligung einer weitergehend aufgeklärten Patientin gedeckt, so der Gutachter. „Es fehlen Hinweise, dass die Patientin sich bei weitergehender Aufklärung einverstanden erklärt hätte.“ Claudia Renner