Berlin/Hamburg

Wie ein Fake-Brief über heimliche Blogger Axel-Springer-Verlag trollt

Ein angebliches geheimes Schreiben des Axel-Springer-Verlags hat am Donnerstag in Sozialen Netzwerken Wirbel ausgelöst: In dem Scan eines vorgeblichen Briefes an den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist zu lesen, der Verlag setze 642 geringfügig beschäftigte Blogger ein, um pro-russischer Propaganda Paroli zu bieten. Dem getrollten Verlag war das kaum das Dementi wert.

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Können sich Menschen vorstellen, dass der Axel-Springer-Verlag heimlich Hunderte Menschen einsetzt, um verdeckt die Meinung über die Ukraine und Russland zu manipulieren? Manche können das offenbar – und gehen dabei auch einer Fälschung leicht auf den Leim. Als am Donnerstag ein angebliches Schreiben auftauchte, in dem genau das behauptet wurde, sorgte der Brief umgehend für Wirbel. Verlagssprecher Tobias Fröhlich wunderte sich, dass nicht einmal die Telefonnummer stimmte. „Das ist so absurd, damit kann man sich nicht ernsthaft auseinandersetzen.“

Misstrauisch hätte man bereits werden können, wieso ein als „Geheim“ eingestuftes Schreiben zu russischer Propaganda ohne namentlichen Adressaten an den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern geschickt wird, zu dessen vordringlichsten Aufgaben diese Frage sicher nicht gehört.

Zur Zielscheibe einer solchen Schmäh-Aktion dürfte der Verlag durch seine eindeutige Positionierung geworden sein: „Wann stoppt die Welt endlich Putin?“, hatte die „Bild“ am 21. Juli getitelt. Offenbar trauten deshalb auch Nutzer dem Verlag sogar zu, mit einem Heer verdeckter bezahlter Autoren kommentieren zu lassen – der Medienskandal überhaupt wäre perfekt. Der Verlag wird wegen des gefälschten Briefes eher nichts unternehmen, ließ Fröhlich durchblicken: „Das ist den Aufwand nicht wert.“

Über bezahlte prorussische Schreiber in den Kommentaren unter Artikeln auf deutschen Nachrichtenseiten wird bereits seit einigen Monaten spekuliert. Die „Zeit“ hatte im Mai geschrieben, dass neben kritischen Lesern, der Gruppe der Verschwörungstheoretiker und Montagsdemonstranten sowie russischen Patrioten im Westen auch im Kreml organisierte Kommentaragenturen Urheber sein könnten – aber von dürftigen Beweisen gesprochen.

Die sah die Süddeutsche dann erbracht: Nach der Auswertung von 138 Megabyte Daten berichtete sie von Belegen, dass der Kreml gezielt in den Kommentarspalten ausländischer Nachrichtenseiten kommentieren lässt. Das Material hatte eine anonyme Gruppe ins Netz gestellt.

Aus den Unterlagen von Whistleblower Edward Snwoden ging hervor, dass auch die Geheimdienste GCHQ und NSA versuchen, Online-Diskurse zu manipulieren und zu kontrollieren. Dabei dürften sie aber nicht auf Verlage setzen, die Briefe darüber an Landtage schreiben...

Und was sagt der Twitterer, der das Schreiben im Kurznachrichtendienst gepostet hatte zur Frage der Echtheit: Mit dem Detail wolle er sich wirklich nicht aufhalten. Seine Quelle nannte er nicht.

Update: Als Quelle gibt er Facebook an.

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)