Erschütternde Details einer kaputten Kindheit: Björn S. sagt im Fluterschen-Prozess aus

Koblenz/Fluterschen – Am meisten fürchtete er sich vor den stechenden Augen von Detlef S.: Bei seiner Zeugenaussage versagte Björn B. manchmal die Stimme. Der Stiefsohn des wegen Kindesmissbrauchs in Hunderten von Fällen angeklagten Familienvaters gab dennoch unbeirrt Auskunft über das Terror-Regime, das der Mann zuletzt in Fluterschen ausgeübt hat – über seinen Missbrauch in früher Kindheit, über unsägliche Szenen unter der Dusche, über härteste Prügel und brutale Einschüchterungen.

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Koblenz/Fluterschen – Am meisten fürchtete er sich vor den stechenden Augen von Detlef S.: Bei seiner Zeugenaussage versagte Björn B. manchmal die Stimme. Der Stiefsohn des wegen Kindesmissbrauchs in Hunderten von Fällen angeklagten Familienvaters gab dennoch unbeirrt Auskunft über das Terror-Regime, das der Mann zuletzt in Fluterschen im Kreis Altenkirchen ausgeübt hat – über seinen Missbrauch in früher Kindheit, über unsägliche Szenen unter der Dusche, über härteste Prügel und brutale Einschüchterungen.

Björn B. ist der Zwillingsbruder der jungen Mutter, die von ihrem Stiefvater acht Kinder austragen musste
Björn B. ist der Zwillingsbruder der jungen Mutter, die von ihrem Stiefvater acht Kinder austragen musste
Foto: Jens Weber

Schon nach kurzer Zeit mussten Zuschauer und Medien am zweiten Verhandlungstag den Prozessraum in Koblenz wieder räumen: Die Aussage sowohl von Stiefsohn und leiblicher Tochter des Detlef S. sollten unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen. Wenigstens diese kleine Erleichterung sollte den beiden jungen Leuten gegönnt werden.

Zwei Stunden lang gab dann Björn B. Auskunft, der seit seiner Heirat den Namen des Adoptivvaters abgelegt hat. In zwei Anklagepunkten sollte B. befragt werden, den ersten bestätigte er, zum zweiten hatte er keine konkrete Erinnerung.

Was der junge Mann bestätigte: Ja, es muss in der Zeit von 1987 und 1989 gewesen sein, als der damals zwischen 4- und 6-Jährige damals im Haus der Familie in Dernbach gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester im Bett lag. Da kam der Angeklagte zu den Kindern, setzte sich zwischen die beiden. Und Ja, bestätigte Björn die Anklage, er habe dann beide gleichzeitig im Intimbereich berührt.

Und damit nicht genug: Björn S. erinnerte sich daran, dass der Angeklagte die Kinder und seine Frau mehrfach, immer wieder, mit Händen und Fäusten traktiert habe. Höhepunkt der Schläge war, wenn Detlef S. seine selbstgebaute Peitsche herausholte: Sieben Lederriemen hatte er an einem Stock befestigt, und wenn er mit diesem Gerät losprügelte, dann gab es 20 Zentimeter lange Striemen.

Björn B. wiederholte noch ein weiteres Mal eine Äußerung, die der Leiter des Altenkirchener Jugendamtes, Hermann-Josef Greb, ihm gegenüber gemacht habe: „In größeren Familien ist eine härtere Erziehung normal“, habe Greb zu ihm gesagt.

Was keine sichtbaren Narben hinterließ, den Jungen aber zutieft verletzte, waren die Übergriffe unter der Dusche: Da zwang der Stiefvater seinen Sohn zu masturbieren „bis zum Samenerguss“. Und er habe das auch gemacht, aus Angst, was sonst mit ihm geschehen würde.

Blutende Stiefschwester im Bad: Für Angeklagte eineg anz normale Reaktion eines „frühreifen Kindes“

Im Jahr 2002 zog der damals 21-Jährige aus dem Haus der Familie aus. Wie es dazu gekommen war, was ihm den Mut zu diesem Schritt gab, schilderte Björn B. vor Gericht ausführlich:

Im Mai 2002 traf er seine kleine Stiefschwester, die damals neunjährige leibliche Tochter von Detlef S., im Badezimmer stark aus dem Unterleib blutend vor. Er habe sofort die Vermutung gehabt, dass da „etwas nicht stimme“. Doch der Stiefvater, darauf angesprochen, wiegelte heftig ab. Das sei eine ganz normale Reaktion eines „frühreifen Kindes“.

Als die Familie sich dieses Mal nicht damit zufriedengab und weiter nachfragte, was denn da wohl geschehen sei, habe sich der Angeklagte sehr aufgeregt. Ausgerastet sei er derartig, dass er auf alle eingeprügelt habe. Am Ende lag die Ehefrau bewußtlos am Boden. Ja, die Polizei sei gekommen und auch der Notarzt...

Björn B. besteht darauf: Er hat dem Jugendamt seine Vorwürfe gegen den Stiefvater mitgeteilt

Wenige Wochen danach habe er im Mai 2002 das Elternhaus in Fluterschen verlassen.

Björn B. erinnerte sich daran, dass er mit seinem Bruder der Polizei von den Gewaltexzessen und dem Verdacht auf sexuellen Missbrauch berichtet habe. Dort habe man den Jungen geraten, sich an das Jugendamt zu wenden – und das, so Björn B. – haben sie auch getan.

In den Akten des Jugendamtes Altenkirchen gibt es keine Eintrag, der von Björn B.s Vorwürfen gegen seinen Stiefvater berichtet.

Nach der Aussage unter Ausschluß der Öffentlichkeit wird der Anwalt von Björn B. später berichten, mit wieviel Angst sich sein Mandant in die Vernehmung begeben hatte: „Das Schlimmste war für ihn, seinem Stiefvater gegenüber zu sitzen.“ Vor allem der stechende Blick von detlef S. habe den jungen Mann immer wieder zusammenzucken lassen.

Der Anwalt habe mehrfach befürchtet, die Vernehmung müsse unterbrochen werden, wenn die zitternde Stimme von Björn B. kaum noch vernehmbar war. Doch dann habe er immer wieder weitergesprochen und davon erzählt, mit welcher Angst er zu kämpfen hatte, als er dann schließlich doch auszog.

Eine Wohnung in der Nähe des Familienhauses hatte er gefunden, doch das passte seinem Stiefvater auch nicht: Er habe Björn B. gedroht, das werde er „noch bereuen“, er wolle ihm das Leben zu Hölle machen.

Björn B. begab sich nach seinem Auszug in psychologische Behandlung.

(to/haw)