Dakar

Der Senegal ist für viele nur eine Zwischenstation

„Das Einzige, was ich will, ist ein Ort, an dem wir 
in Frieden leben können.“ Der 27-jährige Blaise Mukasu stammt aus dem Kongo. Als Kind floh er vor dem Bürgerkrieg – im Senegal hofft er auf eine Zukunft.
„Das Einzige, was ich will, ist ein Ort, an dem wir 
in Frieden leben können.“ Der 27-jährige Blaise Mukasu stammt aus dem Kongo. Als Kind floh er vor dem Bürgerkrieg – im Senegal hofft er auf eine Zukunft. Foto: Eva-Maria Werner

Vor allem aus den umliegenden Ländern Guinea, Mauretanien, Mali und der Elfenbeinküste sind in den vergangenen Jahren viele Flüchtlinge in den Senegal gekommen. Aber auch aus weiter entfernten Ländern des Kontinents wie Ruanda, dem Kongo, Eritrea, Äthiopien oder dem Tschad. Was ist der Grund, dass Menschen den halben Kontinent durchqueren, um in dem armen Land Senegal Zuflucht zu suchen?

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Dakar – Vor allem aus den umliegenden Ländern Guinea, Mauretanien, Mali und der Elfenbeinküste sind in den vergangenen Jahren viele Flüchtlinge in den Senegal gekommen. Aber auch aus weiter entfernten Ländern des Kontinents wie Ruanda, dem Kongo, Eritrea, Äthiopien oder dem Tschad. Was ist der Grund, dass Menschen den halben Kontinent durchqueren, um in dem armen Land Senegal Zuflucht zu suchen?

Aloise Sarr, Leiter der Flüchtlingsanlaufstelle Pari (Point d’accueil pour réfugiés et immigrés) in Dakar, sagt: „Der Senegal ist bekannt als das Land der Teranga, der Gastfreundschaft. Obwohl es nicht viel zu teilen gibt, kommen Flüchtlinge gern zu uns, weil sie hier in einem Klima der Toleranz leben können.“

Selbst wer den begehrten Flüchtlingsstatus nicht erhält – und das sind die meisten, lediglich 6 Prozent bekommen ihn zuerkannt -, darf im Senegal bleiben, dort frei leben und sich eine Arbeit suchen. Da die Lebensumstände in Dakar aber sehr hart seien, nutzten viele den Senegal auch bloß als Transitland, um von dort aus den Sprung nach Europa oder in die USA zu wagen. Pari wurde 1995 auf Initiative von Taizé-Brüdern in Dakar gegründet. Heute wird die Flüchtlingsanlaufstelle von der Caritas und von Missio unterstützt. Nach Klärung ihres Status als Flüchtlinge suchen die Mitarbeiter von Pari mit den Migranten nach Lösungen, wie der Lebensunterhalt gesichert werden kann. „Unser Ziel ist“, sagt Aloise Sarr, „dass die Menschen, die zu uns kommen, Verantwortung für sich übernehmen und möglichst bald für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen können. Auf jeden Fall soll eine dauerhafte Abhängigkeit von Pari vermieden werden.“

50 Euro für einen Neubeginn

Die „tout petit projets“ (ganz kleine Projekte) sollen dabei helfen. Pari stellt umgerechnet einen Betrag von maximal 50 Euro zur Verfügung, damit Menschen ein kleines Gewerbe aufziehen können. Es handelt sich dabei nicht um Mikrokredite, sondern um einen Betrag, der nicht zurückgezahlt werden muss.

Manche Flüchtlinge wollen Bonbons, Fisch oder Gemüse verkaufen, andere Küken züchten, wieder andere als Friseur oder Schuster arbeiten. Die Idee und Initiative sollen vom Flüchtling selbst ausgehen. Pari gibt auch kein Geld direkt heraus. Anhand eines Bedarfsplans kaufen die Mitarbeiter die Gegenstände, die gebraucht werden, und geben sie an den jeweiligen Flüchtling weiter.

Wer Geld hat, muss mit anderen teilen. In der Regel kommen vor allem junge Männer zu Pari, manchmal klopfen aber auch ganze Familien an. In solchen Fällen kann auch ein zusätzliches Hilfspaket in Form von Nahrungsmitteln wie Reis, Öl und Zucker gewährt werden. Aloise Sarr weiß, dass vieles nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Denn richtig gut bezahlte Arbeit zu finden, ist in einem Land mit mehr als 50 Prozent Arbeitslosigkeit schwer. Selbst Uniabsolventen ist eine Arbeitsstelle nicht sicher. Die gut ausgebildeten Menschen hätten aber immerhin die Chance, auf legalem Weg nach Europa zu gelangen.

Gefahren werden unterschätzt

„Wir wollen nicht in erster Linie den Transit ermöglichen. Viel wichtiger ist, dass die Menschen hier allein zurechtkommen. Wir wissen, dass die Mehrzahl der jungen Leute gern auswandern würde. Denn wenn man im Senegal Geld verdient, bleibt selten etwas für einen selbst übrig. Meist muss man eine ganze Großfamilie durchfüttern. Wer nach Europa geht, hat auch Geld für sich, so denken viele“, sagt Sarr. Doch die Gefahren auf dem Weg dorthin würden unterschätzt.

Während in den Anfangsjahren etwa 3000 Menschen jährlich die Anlaufstelle aufsuchten, sind es heute noch etwa die Hälfte. Die Bürgerkriege in Ruanda, Sierra Leone und Liberia sorgten damals für große Flüchtlingsströme.

Blaise Mukasu hat erst vor wenigen Tagen bei Pari angeklopft. Der 27-Jährige stammt ursprünglich aus dem Kongo. Als Kind ist er geflohen, um dem Bürgerkrieg und dem Einzug als Kindersoldat zu entkommen. Er schiebt sein T-Shirt hoch und zeigt auf einen gut zehn Zentimeter langen, dick vernarbten Schnitt unterhalb des Bauchnabels. „Hier hat mir ein Soldat ein Messer in den Bauch gerammt“, sagt er. „Ich wollte nicht kämpfen und bin abgehauen.“ Später, während der Flucht, lernte er in Marokko seine jetzige Frau Monika kennen. Sie ist hochschwanger und Blaise sehr verzweifelt.

„Wir freuen uns auf das Kind, aber wir haben nichts, kein Zimmer, keine Kleidung, keine Pampers.“ Seit einem Monat sucht er ein günstiges Zimmer, das ihm Pari finanzieren würde, doch er findet keines. „Die Mieten sind zu hoch.“ Er selbst lebt auf der Straße, Monika ist kurzfristig bei einer Ordensfrau untergekommen. „Das Einzige, was ich will, ist ein Ort, an dem wir in Frieden leben können“, sagt Blaise. „Und ich will arbeiten, egal, was. Auf keinen Fall gehe ich nach Marokko oder in den Kongo zurück, lieber sterbe ich.“

Schwerpunktland Senegal

Der Senegal, eines der ärmsten Länder der Welt, steht in diesem Jahr im Zentrum der Solidaritätsaktion des päpstlichen Missionswerks Missio im Monat der Weltmission (Oktober). Das katholische Hilfswerk fördert in dem westafrikanischen Staat mehrere Projekte, unter anderem gegen Migration, Beschneidung, für interreligiösen Dialog oder die Ausbildung von Priestern und Ordensleuten. 2010 hat Missio Projekte im Senegal mit 289 990 Euro unterstützt. Auf der Liste des Index des menschlichen Entwicklungsstandes der Vereinten Nationen belegt das Land den 144. Platz von 169. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Ein Großteil des Landes liegt in der Sahelzone: Bleibt der Regen aus, kann es für viele Menschen schnell sehr kritisch werden.
Weitere Infos unter www.missio.de.

Eva Maria-Werner