Bielefeld

Bundeskanzleramt erhält „Big Brother Award“ – Tadel auch für Debeka

Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt: Das Bundeskanzleramt habe es sträflich unterlassen, die Menschen und Unternehmen vor weiteren feindlichen Attacken zu schützen. Dafür gab es den "Big Brother Award". Foto: Matthias Hornung (<a href="https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/" target="_blank">CC BY 3.0</a>)
Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt: Das Bundeskanzleramt habe es sträflich unterlassen, die Menschen und Unternehmen vor weiteren feindlichen Attacken zu schützen. Dafür gab es den "Big Brother Award".  Foto: Matthias Hornung (

Während der NSA-Ausschuss des Bundestags darüber streitet, ob Edward Snowden als Zeuge gehört wird, setzen Datenschutz-Initiativen Zeichen: Der "Big Brother Award“ ging ans Bundeskanzleramt, zugleich wurde Edward Snowden geehrt. Kritisch gewürdigt wurde bei der Preisverleihung auch die Debeka.

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Das Bundeskanzleramt hat für seinen Umgang mit der NSA-Affäre den Negativ-Preis „Big Brother Award“ bekommen. Für „geheimdienstliche Verstrickungen in den NSA-Überwachungsskandal sowie unterlassene Abwehr- und Schutzmaßnahmen“ wurde dem Bundeskanzleramt der Preis zuerkannt, hieß es in der Laudatio bei der Preisverleihung des Vereins „Digitalcourage“.

Die dem Amt unterstellten Bundesgeheimdienste hätten eng mit dem völker- und menschenrechtswidrig vorgehenden US-Geheimdienst NSA zusammengearbeitet, hieß es in der Laudatio. Gegen die Bundesregierung sowie gegen die Geheimdienste haben der Verein „Digitalcourage“ und weitere Initiativen Anzeige beim Generalbundesanwalt erstattet.

Der Preis wird in verschiedenen Kategorien vergeben. In der Kategorie „Wirtschaft“ ging die Negativauszeichnung an die IT-Firma CSC, die auch Aufträge von der Bundesregierung wie für De-Mail und elektronischen Personalausweis erhält. Ihre Mutterfirma in den USA gelte als die externe EDV-Abteilung der US-amerikanischen Geheimdienste, es gibt Bericht, wonach sie im Auftrag der CIA Entführungsflüge in Foltergefängnisse. In dieser Sparte „verdiente“ sich auch die Koblenzer Debeka eine „tadelnde Erwähnung“ für ihr System von Tippgebern in Behörden, die Daten zu neuen möglichen neuen Kunden weitergeben.

Die „MeinFernbus GmbH“ erhielt in der Kategorie Verkehr den Preis, weil sie es zur Auflage mache, mit einem Online-Ticket immer auch einen amtlichen Ausweis vorzeigen zu müssen. Dadurch werde anonyme Reisen per Bus unmöglich. Eine gesetzliche oder sachliche Notwendigkeit für diese Ausweispflicht liefere die „MeinFernbus GmbH“ nicht. Eine tadelnde Erwähnung gab es für Contipark, den Parkhaus-Betreiber am Kurhaus Wiesbaden, weil dort die Kfz-Kennzeichen der Fahrzeuge beim Einfahren per Videokamera aufgenommen und für 24 Stunden gespeichert würden.

RWE Vertrieb AG erhielt stellvertretend den Award in der Kategorie Arbeitswelt: Das ist der Lohn dafür, dass in Call-Centern bei Subunternehmern eine Überwachungssoftware von Verint Systems eingesetzt werde, die ohne das Wissen der Mitarbeiter im Einzelfall sowohl das Telefonat als auch Bildschirmaktionen aufzeichne.

In der Kategorie Verbraucherschutz muss sich TV-Hersteller LG Electronics GmbH mit der Würdigung abfinden. Das ist die Quittung dafür, dass LG seine „smarten“ Fernseher so entwickelte, dass sie über Internetanschluss detaillierte Informationen an die Firma liefern lönnen darüber, was sich die Menschen damit ansehen. Die LG-Geräte sind so in den privaten Lebensbereich argloser Menschen eingedrungen. Immer mehr Hilfsmittel des Alltags sammelten nebenbei Daten, sagte Rena Tangens, Vorsitzende von „Digitalcourage“, im Interview – „ein besorgniserregender Trend“.

Das ist auch in den Autos nicht anders. Der Preis für die „Spinne im Auto“ im Bereich Technik ging aber an das System an sich, weil sich zwischen Gesetzgebern und Herstellern kein einzelner Schuldiger dafür finden lasse, dass Fahrzeuge Datensammlungen erstellen und in die Cloud übertragen. WhatsApp wurde tadelnd erwähnt – mit dem Hinweis: „Es gibt inzwischen gut verschlüsselte Alternativen, steigen Sie um!“

Auf den Big Brother Award für das Bundeskanzleramt setzte die Veranstaltung mit der Verleihung eines erstmals vergebenen Positivpreises an Edward Snowden noch einen darauf. Laudator Heribert Prantl (Süddeutsche): „Das Seltsame dabei ist, dass die Mehrheit im Ausschuss den nicht hören will, der den Skandal aufgedeckt hat. Die CDU/CSU redet über Snowden, als habe er eine ansteckende Krankheit. Und die SPD widerspricht kaum.“

Die deutschen Big Brother Awards werden seit dem Jahr 2000 jährlich ausgelobt. Bei den Negativpreisen werden Politiker, Firmen und Organisationen „ausgezeichnet“, die nach Auffassung der Veranstalter „den Datenschutz im letzten Jahr besonders mit Füßen getreten haben“. Eine Jury aus Menschenrechtlern, Computerexperten sowie Daten- und Verbraucherschützern wählt die Preisträger aus.