Mainz

Aufräumen für die Zukunft der freien Kultur

Am Dienstag wird es ein Gespräch der Stadtwerke-Vertreter mit den Hausbesetzern der Austraße geben. Am Montag erfuhren diese viel Solidarität in ihren Bemühungen für die freie Kulturszene in Mainz. Die MRZ war erneut vor Ort im besetzten Haus.

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Mainz – Die Besetzer des Hauses in der Oberen Austraße erfahren sehr viel Unterstützung: Ständig stehen Mainzer Bürger vor der Tür, die die Hausbesetzer mit Lebensmitteln, Matratzen und anderen nützlichen Dingen versorgen oder sich erkundigen, wie sie sich einbringen können.

Das mediale Echo ist enorm, ein Mainzer Radiosender hat live vor dem Haus berichtet, Nachrichtenagenturen rufen mehrmals täglich an, um sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Auch auf politische Ebene sind die Vorgänge am nördlichen Rand des Zollhafens durchgeschlagen.

Die Stadtratsmitglieder Katharina Binz und Matthias Rösch (beide von der Fraktion der Grünen) und Dieter Hofem (Die Linke) machten sich vor Ort ein Bild. Der Ortsvorsteher der Mainzer Neustadt, Nico Klomann (Grüne), will sich bei der Eigentümerin des Gebäudes, den Stadtwerken Mainz, für eine mögliche Zwischennutzung des Areals als nichtkommerzielles Kulturzentrum einsetzen.

Die Mainzer Stadtwerke haben den Besetzern für heute Verhandlungen in Aussicht gestellt. Jedoch machte Pressesprecher Michael Theurer klar, dass das Gebäude aufgrund eklatanter baulicher Mängel als Veranstaltungsort ungeeignet sei. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) zeigte für das Anliegen der Besetzer, mehr finanzierbaren Freiraum für Kultur zu schaffen prinzipiell Verständnis. Jedoch , so Ebling weiter, habe er keinerlei Verständnis dafür, dass zu diesen Zwecken anderen das Eigentum weggenommen würde.

Viele wollen sich einbringen

Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen im besetzten Haus in der Oberen Austraße. Menschen kommen vorbei, liefern Lebensmittel ab oder sind einfach neugierig. Manche von ihnen bleiben, andere haben nur ihre Mittagspause zur Verfügung, in der sie sich bei der Aufräum- und Instandsetzungsaktion der Hausbesetzer einbringen wollen. Im Innenhof des seit Jahren brach liegenden Areals wird der Haufen mit Müll und Schutt aus den Gebäuden immer höher.

In einer lang geplanten Aktion hatten sich etwa 30 Aktivisten in der Nacht auf Freitag des leer und offen stehenden Gebäudes bemächtigt. Sie wollen dort längerfristig ein Kulturzentrum etablieren und mit diesem Schritt gleichzeitig ein Zeichen gegen den in ihren Augen großen Mangel an bezahlbaren Freiräumen für Kultur setzen.

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--- Video von Alex Boerger ---

Jetzt werden Haus, Hallen und Hof permanent entrümpelt und verschönert. „Das ist ein Fulltimejob“, lacht Petra B. (Namen von der Redaktion geändert). Jeder der Besetzer würde sich so einbringen wie er es kann, dazu käme auch große Unterstützung von außerhalb.

„Heute morgen hat sogar jemand Frühstück vorbei gebracht“, fügt Nina H. an. Außerdem seien die Aktivisten bereits mit einem Kunstwerk beschenkt worden: Ein „Trojanisches Pferd“, von einem benachbarten Handwerksbetrieb zusammengeschraubt aus Paletten. Klingt sehr nach Konsens.

Politik zeigt Verständnis – im Prinzip

Der sich auch bis in Teile der Spitzen der Politik fortzusetzen scheint. Zumindest, wenn es um das generelle Anliegen der Besetzer geht. „Ich würde das Anliegen unterschreiben, auch wir beschäftigen uns im Stadtvorstand intensiv mit diesem Thema“, bemerkte OB Michael Ebling. Doch mit der „Enteignung“ der Stadtwerke hätte man den falschen Weg eingeschlagen.

Der Chef der CDU in der Mainzer Neustadt, Karsten Lange, wirft den Besetzern gar „Heuchelei in Bezug auf deren Gerede von Gewaltfreiheit“ vor, denn ohne „Gewaltanwendung“ habe man sich ja sicherlich keinen freien Zugang zu dem Haus verschaffen können.

Stadtratsmitglieder der Grünen hingegen haben sich vor Ort solidarisch mit den Zielen der Hausbesetzer erklärt. Matthias Rösch erklärte, man wolle sich vermittelnd in den Dialog mit den Stadtwerken einschalten, Stadträtin Katharina Binz bot sich als neutrale Beobachterin bei den heutigen Gesprächen mit der Stadtwerkespitze an.

Der grüne Neustadt-Ortsvorsteher Nico Klomann hofft, dass es für das Areal eine Zwischennutzung als Kulturzentrum geben könne: „Klar ist die Besetzung auch eine Protestform, es ist aber ja nicht so, dass hier gleich Panzer anrücken müssen.“ Die Aktivisten zeigten sich für die Zukunft ihres Projekts ähnlich optimistisch. Für Samstag ist ab 15 Uhr ein Hoffest für jedermann geplant.

Dominic Schreiner

Hier geht es zur Website der Hausbesetzer.