Wolf streift nahe Rheinland-Pfalz umher

Ein Wolf durchstreift sein winterliches Gehege im Wildpark  Schorfheide unweit der brandenburgischen Ortschaft Groß Schönebeck.
Ein Wolf durchstreift sein winterliches Gehege im Wildpark Schorfheide unweit der brandenburgischen Ortschaft Groß Schönebeck. Foto: DPA

Susanne WillkeWesterwaldkreis/Hessen – Mitten im Wald, eingehüllt in Nebel und Schneeflocken, huscht hinter Buchen und Eichen ein Rudel Wölfe hin und her. Die Kulisse für einen näheren Blick auf das sagenumwobene Tier ist perfekt.

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Westerwaldkreis/Hessen – Mitten im Wald, eingehüllt in Nebel und Schneeflocken, huscht hinter Buchen und Eichen ein Rudel Wölfe hin und her. Die Kulisse für einen näheren Blick auf das sagenumwobene Tier ist perfekt.

Es dauert eine Weile, bis sich Canis Lupus – so der lateinische Name – näher heranwagt. Irgendwann siegt die Verlockung, und der Leitwolf schnappt sich das erste Stück Fleisch, würgt es in großen Stücken hinunter. Der Tierpfleger hat große Brocken auf einige Baumstümpfe verteilt, um das Rudel an den Zaun zu locken. Dem Extraleckerbissen können die Wölfe natürlich nicht widerstehen. Doch so nah wie im Weilburger Tierpark kommt der Mensch an einen frei lebenden Wolf längst nicht heran.

Wölfe sind sehr scheu, und die Geschichten vom Rotkäppchen oder den sieben Geißlein führen auf eine falsche Fährte. „Der Wolf elektrisiert die Massen“, sagt Wildparkleiter Jürgen Stroh. Das ist seit jeher so und hat sich erst kürzlich wieder gezeigt, als ein Wolf bei Langgöns/Hessen, keine 80 Kilometer vom Westerwaldkreis entfernt, unterwegs war. Nachdem das bekannt wird, setzt ein regelrechter Wolfstourismus ein. Polizei und Anwohner verfolgen das angeblich verletzte Tier, um es zu betäuben. Vergeblich.

Erst am nächsten Tag erfährt der Nabu von der Entdeckung und schaltet sich ein. „Gut gemeinte Hilfe könnte dem Wolf mehr schaden als nutzen“, lautet ab sofort die Devise, damit das Tier nicht zu Tode gehetzt wird. Dass es sich tatsächlich um einen Wolf und nicht um einen streunenden Hund handelt, belegen Haarproben, die die Polizei sichergestellt hatte.

Ein Wolf durchstreift sein winterliches Gehege im Wildpark  Schorfheide unweit der brandenburgischen Ortschaft Groß Schönebeck.
Ein Wolf durchstreift sein winterliches Gehege im Wildpark Schorfheide unweit der brandenburgischen Ortschaft Groß Schönebeck.
Foto: DPA

Angst braucht der Mensch vor dem Wolf nicht zu haben. Nicht im im Allgemeinen und auch nicht vor diesem Besonderen, der offenbar verletzt, aber trotzdem im Trab in Mittelhessen unterwegs ist. Laut Nabu hat er eine gute Überlebenschance. Futter findet er im Wald genug, dabei kann er ohnehin sehr lange hungern.

Seit 2003 untersuchen Experten die Wolfsbeute anhand von Kotproben. Danach bevorzugt er kranke Rehe, Hirsche und Wildschweine sowie Schafe. Der Mensch gehört nicht in sein Beuteschema, der ist zu groß. Zahlen belegen, dass im Zweifelsfalle nur tollwütige oder an den Menschen gewöhnte Tiere angreifen, wenn sie in die Enge getrieben werden. „Wenn man das Glück hat, auf einen Wolf zu treffen“, sagt Jürgen Stroh, „sollte man ihn laut ansprechen, dann sucht er sehr schnell das Weite.“

Seit dem ersten Auftauchen des Wolfes bei Langgöns vor knapp drei Wochen sind beim Nabu verschiedene Meldungen eingegangen, die belegen, dass sich das Tier auch jetzt noch in Hessen befindet. Allerdings in einer ruhigeren Region, fernab vom Gießener Ring und der Autobahn. Ein Hinweis lässt vermuten, dass eben dieses Exemplar bereits 2009 in der Nähe von Fulda gesichtet worden ist. Die Anruferin berichtet ebenfalls von einem hinkenden Wolf.

Das Tier scheint also noch nicht standorttreu zu sein, es wird weiter nach einer Partnerin suchen, um ein eigenes Rudel zu gründen. Dafür laufen die Rüden schon einmal tausend Kilometer durch die Lande. Kein Grund also für die Tierhalter der Region, in Schutzzäune zu investieren. Für den Moment empfiehlt Mark Harthun vom Nabu allenfalls Flatterbänder.

Aber auch wenn der Wolf bleibt oder gar nach Rheinland-Pfalz wandert, gibt es keinen Grund zur Sorge. Um den Menschen macht er einen möglichst großen Bogen, so Markus Bathen, Wolfsexperte des Nabu: „Seine Nase erzählt ihm, wo nichts los ist.“

Spuren von Wölfen in der sächsischen Lausitz.
Spuren von Wölfen in der sächsischen Lausitz.
Foto: NABU/Bathen

Rheinland-Pfalz ist nach Bathens Einschätzung sehr gut geeignet für Wölfe. Tierhalter müssten deshalb aber nicht um ihren Bestand fürchten. Es gibt Zuschüsse für Schutzzäune, die nicht einmal besonders aufwendig sind. Der Wolf springt selten über Zäune, er quält sich lieber darunter durch. Deshalb genüge es, den Zaun tiefer in die Erde einzugraben oder in Bodennähe ein Stromkabel zu setzen. Ähnlich wie mit dem Fuchs lässt es sich auch mit dem Wolf gut zusammenleben. Damit das auch in kritischen Situationen gelingt, arbeitet der Nabu auf politischer Ebene daran, mit den Landesregierungen einen Wolfs-Managementplan aufzustellen.

Der Wolf von Langgöns, so erklärt es Mark Harthun, komme nicht aus Sachsen wie der Wolf im Reinhardswald/Hessen, sondern aus den Alpen. Das bedeutet einen Glücksfall, denn so treffen in Hessen zwei Populationen aufeinander. Daraus könnte eine neue Linie entstehen.

Susanne Willke