RZ-KOMMENTAR: Die Traumehe am Nürburgring ist in den Miesen angekommen

Christian Lindner zur Kontroverse am Nürburgring.

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Christian Lindner zur Kontroverse am Nürburgring:

Am Nürburgring fliegen die Fetzen. Wieder einmal. Diesmal aber verlaufen die Fronten völlig anders als gewohnt. Lange standen sich vor allem die neuen Betreiber der Rennstrecke (Jörg Lindner und Kai Richter von der privaten Nürburgring Automotive GmbH) sowie die Kritiker des Ausbaus der klassischen Rennstrecke zu einem Erlebnispark kaum versöhnbar gegenüber. Ihre Kontroversen aber wirken geradezu folkloristisch gegenüber dem, was jetzt über Eifel und Landespolitik hereinbricht: Pächter und Verpächter des Rings befinden sich auf einem beängstigenden Kollisionskurs – also die zwei Wunschpartner, die im März 2010 gemeinsam den Start einer neuen Ära am Nürburgring feierten.

Zuvor war es lange Jahre so: Die zu 90 Prozent dem Land gehörende Nürburgring GmbH als Besitzerin und Betreiberin der Rennstrecke konnte dort schalten und walten, wie sie wollte. Das mündete in einem konzeptionellen und finanziellen Alptraum: Für 330 Millionen Euro klotzte die der öffentlichen Hand gehörende, aber offenbar auf keinen hörende Ring-Firma riesige Gebäude in die Eifel, deren Sinn sich bis heute nicht erschließt: Boulevard, Ringwerk, Arena, Eventcenter – feine Namen für Immobilien, für die sich bis heute keine rentable Nutzung fand. Die SPD-Regierung aber verteidigte das Projekt stets als Strukturpolitik für die Eifel: 500 Arbeitsplätze sollte der neue Ring bescheren. Als aber immer klarer wurde, dass eine Staatsfirma den neuen Nürburgring nicht rentabel betreiben kann, entschloss sich das Land zu einem konsequenten Schnitt: Die Nürburgring GmbH wurde zur reinen Besitzerin der Rennstrecke samt aller umliegenden Anlagen umgebaut – der Betrieb des gesamten Areals samt Grand Prix-Strecke und Nordschleife wurde der privaten Nürburgring Automotive übertragen.

Uns Steuerzahlern und Wählern präsentierte das Land den ohne Ausschreibung gekürten Partner als Traumlösung: Die Pächter Jörg Lindner und Kai Richter sollten den Ring so wirtschaftlich führen, dass sie dem Land steigende Pachtzahlungen überweisen können – mindestens 15 Millionen Euro ab 2013. Wirtschaftsminister Hering rechnete 2010 immer wieder vor, dass die Nürburgring GmbH damit den Schuldendienst für die Pracht am Ring finanzieren könnte.

Das Traumpaar aber ist schon lange keines mehr: Der Ton zwischen Pächtern und Land ist rau geworden. Beide Seiten werfen sich wechselseitig vor, Millionen nicht gezahlt zu haben. Juristen und Berater werden bemüht. Das Land schickt den einstigen Rettern Mahnbescheide. Die wiederum drohen dem Land unverblümt: Wird die geforderte Pacht nicht radikal gesenkt, werden Teile der Anlagen am Ring stillgelegt und Leute entlassen. Ein Rosenkrieg – schon am Anfang eines auf 20 Jahre geschlossenen Bundes.

Für die privaten Betreiber ist die Lage ernst – weil sie mittlerweile erkannt haben: Halten sie die Verlustbringer am Ring offen, können sie die 15 Millionen Euro Pacht nicht erwirtschaften. Lindner und Richter aber werden auf Dauer kein Geld verbrennen wollen und können. So gibt es nur zwei denkbare Szenarien: Entweder sie steigen am Ring aus – oder das Land gewährt ihnen so viel Pachtrabatt, das sie wirtschaftlich arbeiten können.

Für das Land sind beide Wege hoch problematisch. Steigen die bisherigen Pächter aus, kommt der Ring erneut komplett ins Trudeln. Reduziert das Land die Pacht deutlich, fehlen ihm die vom vorigen Wirtschaftsminister immer proklamierten Millionen für den Schuldendienst. Dann muss der Steuerzahler doch noch auf Jahrzehnte für den Ring bluten.

Wie immer es ausgeht: Jetzt wird endgültig offenbar, dass am Ring unter Regie des Landes ohne wirtschaftliche Perspektive sowie ohne Gespür für den eigentlichen Markenkern dieser unvergleichlichen Rennstrecke Abermillionen in den Sand gesetzt worden sind. So ist das halt in der Wirtschaft: Am Ende zählen nicht Hoffnungen, sondern Zahlen. Und die holen jeden ein. Auch eine Landesregierung. Und auch einen Ministerpräsidenten.