Moskau

Putins TV-Fragestunde: Die Ego-Show des russischen Zaren

Die TV-Fragestunde „Direkter Draht“ dient Kremlchef Putin regelmäßig zu grandios orchestrierter Selbstdarstellung.
Die TV-Fragestunde „Direkter Draht“ dient Kremlchef Putin regelmäßig zu grandios orchestrierter Selbstdarstellung. Foto: dpa

Man könnte es auch die „Wladimir-Putin-Show“ nennen. Die TV-Fragestunde „Direkter Draht“ dient dem Kremlchef regelmäßig zu grandios orchestrierter Selbstdarstellung. Für gewöhnlich findet das Fernsehspektakel am Jahresende statt. Doch jetzt, auf dem Zenit seiner Popularität in Russland, zog Putin die Fernsehaudienz vor.

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Von unserer Korrespondentin Doris Heimann

Es wurde eine Ego-Show der Superlative. Live-Schaltungen von der frisch eroberten Krim und aus dem Olympia-Austragungsort Sotschi, schließlich eine Video-Botschaft des ehemaligen US-Agenten Edward Snowden – es war, als wollte Wladimir Putin allen ein Kaleidoskop seiner jüngsten Heldentaten vorführen.

Gleich zu Beginn der vierstündigen Sitzung ging es um die jüngsten Ereignisse in der Ostukraine. Putin wetterte gegen die Regierung in Kiew. Es sei „noch ein weiteres ihrer schweren Verbrechen“, dass sie Panzer und Flugzeuge in die Region um Donezk geschickt habe. Die neue Führung sei nicht an einem Dialog mit den Menschen in der russisch-ukrainischen Grenzregion interessiert, so Putin. Der russische Staatschef wies die im Westen und in Kiew geäußerte Vermutung zurück, Russland stehe hinter den separatistischen Bewegungen. „Das ist Unfug. Es gibt keine russischen Truppen in der Ukraine. Das sind alles ukrainische Bürger, die sich selbst bewaffnet haben.“ Seine Regierung werde alles unternehmen, um die Rechte der russischsprachigen Bürger in der Ukraine zu schützen, sagte Putin.

Die Putin-Show im TV.
Die Putin-Show im TV.
Foto: dpa

Ausdrücklich behielt sich der Kremlchef eine Militärintervention in der Ostukraine vor. „Der Föderationsrat hat mir das Mandat für eine Entsendung von Truppen in die Ukraine gegeben, Ich hoffe sehr, dass ich nicht gezwungen werde, das zu tun.“ Putin betonte, dass die Region um Donezk erst seit 1920 zur Ukraine gehöre. Zur Zarenzeit

habe der Südosten der heutigen Ukraine „Noworossija“ (Neurussland) geheißen. Das Gouvernement mit diesem Namen umfasste vor der Oktoberrevolution einen Streifen, des sich von Donezk, Lugansk im Osten über die Krim im Süden bis hin nach Odessa zieht.

Wichtige Punkte auf der Halbinsel besetzt

Erstmals gab Putin öffentlich zu, dass russische Soldaten auf der Krim im Einsatz waren. Anfang März hatten professionell ausgerüstete Krieger in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen alle strategisch wichtigen Punkte auf der Halbinsel besetzt. Der Kremlchef hatte bislang die russische Beteiligung bestritten und behauptet, ähnliche Uniformen können man in jedem Laden kaufen. Das hatte ihm den Spott der oppositionellen Presse eingebracht. „Wer sind den nun diese jungen Leute, diese grünen Männchen?“ wurde Putin nun gefragt.

Und antwortete rundheraus: „Wir muss die freie Willensäußerung der Krimbewohner sichern. Deshalb standen hinter den Kräften der Selbstverteidigung natürlich unsere Militärs.“ Putin widersprach aber der Vermutung, die Annexion der Krim sei von langer Hand geplant gewesen. Alles sei spontan geschehen, auf der Basis der aktuellen Entwicklung. Bis zum letzten Moment habe er auf das Ergebnis des Referendums gewartet, um sicher zu gehen, dass es unter den Bewohnern der Halbinsel tatsächlich so eine hohe Zustimmung zum Anschluss an Russland gebe.

Kritische Töne zur Nato-Osterweiterung

Auch die abtrünnige Region Transnistrien, die völkerrechtlich zu Moldawien gehört, müsse über ihren Beitritt zur Russischen Föderation abstimmen dürfen, forderte Putin. Äußerst kritisch äußerte er sich ein weiteres Mal über die Nato-Osterweiterung. Dadurch sei Russland vom Schwarzen Meer abgedrängt worden. Zumindest in Teilen sei die Annexion der Krim eine Reaktion auf das Verhalten des westlichen Militärbündnisses. „Wenn westliche Infrastruktur bis an unsere Grenzen ausgebaut wird, sind wir gezwungen, zu reagieren“, so Putin. Über Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erzählte der Kremlchef, dieser habe sich mit ihm vor langer Zeit zu einem persönlichen Gespräch getroffen, dabei heimlich ein Diktiergerät dabeigehabt und die Worte Putins anschließend ohne dessen Einverständnis veröffentlich. „Wie kann es danach noch Vertrauen geben?“

In einem Fall jedoch gab Putin Entwarnung, was den möglichen Landhunger Russlands betrifft. Eine Rentnerin namens Faina Iwanowna wollte vom Kremlchef wissen, wann sich Russland Alaska zurückhole. Putin witzelte, einige würden Alaska ja schon „Eis-Krim“ nennen. Entsprechende Pläne gebe es aber nicht. „Wir sind ein nordisches Land und Alaska liegt auch im Norden Wozu brauchen wir es also?“

Kremlchef Putin spricht zum Volk. Foto: dpa
Kremlchef Putin spricht zum Volk.
Foto: dpa

Rund 2,5 Millionen Fragen gingen für Putins Live-Show per Telefon, SMS und Video ein. Ein echter Trumpf im Ärmel des Präsidenten war eine Video-Botschaft des amerikanischen Ex-Agenten Edward Snowden. „Fängt Russland die Kommunikationsdaten von Millionen Menschen ab und speichert diese?„, fragte der Whistleblower, der die Abhörprogramme des US-Geheimdienstes NSA enthüllt hatte und deshalb international gesucht wurde. Russland hatte ihm daraufhin politisches Asyl gewährt. „Herr Snowden, Sie sind ein ehemaliger Agent, und ich habe auch so eine Vergangenheit“, sagte Putin unter Gelächter im Publikum, „Wir können uns also auf Profi-Ebene unterhalten.“ Russland setze bestimmte Mittel ein, um Telefongespräche abzuhören und Internetkommunikation abzufangen, sagte Putin. „Dies passiert aber nur mit gerichtlicher Zustimmung“, sagte der Präsident. „So etwas wie in den USA kann es bei uns nicht geben.“ Eine massenhafte und unkontrollierte Ausspähung finde in Russland nicht statt.

Über sein Privatleben gab Putin nur zum Besten, dass er mit sechs Stunden Schlaf auskommen. Auf die Frage, wann Russland denn eine neue First Lady zu Gesicht bekommen würde, antwortete der Kremlchef: „Erstmal muss ich meine Ex-Frau Ljudmila wieder unter die Haube bringen, bevor ich mich um mich selbst kümmere.“ Die Ehe von Putin und seiner Frau Ljudmila Putina wurde vor zwei Wochen offiziell geschieden. Das Paar hatte sich schon seit Jahren auseinander gelebt, die Trennung offiziell aber erst im vergangenen Juni bekannt gegeben. Russische Medien sagen Putin hartnäckig eine Beziehung mit der Sportlerin Alina Kabajewa nach. Angeblich soll sie aus der Beziehung sogar ein oder zwei Kinder haben.