Lindlar

Nach ARD-Bericht über Amazon: Verlag kündigt und rechnet mit Riese ab

Amazon-Logistikzentrum in Pforzheim
Verpacken für den bequemen Einkäufer und den Profit des Konzerns: Onlinehändler Amazon erzielt mit umstrittenen Spielregeln große Umsätze. Foto: DPA

Es ist eine Abrechnung mit Amazon: Ein kleines Verlagshaus verabschiedet sich öffentlichkeitswirksam von dem in die Kritik geratenen Internethändler. Verleger Christopher Schroer, der Werke von gut 30 Autoren und Künstlern im Programm hat, hat nach dem ARD-Bericht alle Geschäftsbeziehungen gekündigt.

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Die Suche auf Amazon nach Büchern aus dem Verlag „Die neue Sachlichkeit“ aus Lindlar bei Köln ergab am Freitag noch 34 Werke. Künftig werden Kunden aber so nicht mehr fündig werden, wenn Verleger Christopher Schroer seine Ankündigung umsetzt. Nach den Vorwürfen in der ARD-Dokumentation in dieser Woche kündigt der 36-Jährige in einem offenen Brief an Amazon-Präsident Jeff Bezos die Konten – und rechnet mit Amazon ab. „Ich habe mich jeden Monat gefetzt, es war eine lange Leidensgeschichte – jetzt reicht es.“

Ein Unternehmen, das sich auch dem Kulturgut „Buch“ verschrieben habe, müsse gewisse Standards einhalten: „Sie sind, waren es nie und werden es auch wohl zukünftig nicht werden: ein Unternehmen, das Menschen wie Menschen, das Verlage wie Partner, das Kunden wie Könige und Kaiser behandelt.“

Von dem Brief erhofft sich der Verleger auch Aufmerksamkeit für sein Programm mit Büchern zu bildender Kunst (seit 2009) und belletristischer Literatur (seit 2012), wie er einräumt. Und Sympathien von Buchhändlern. Denn ohne Risiko ist sein Schritt nicht, sagt er: Wer als Kleinverlag von Endkunden wahrgenommen werden wolle, müsse gelistet sein. „Was es bei amazon.de nicht gibt, gibt’s nirgends.“

Deshalb hatte er sich auch auf die Konditionen eingelassen. Die Marktmacht nutze Amazon rigoros aus. Doch im vierten Jahr nach dem Start des Verlags „sind wir gewachsen, in Käuferschichten etwas bekannter – und ich hoffe, ich muss nicht mehr zwingend bei Amazon sein.“ Wirtschaftlich trage sich die Amazon-Partnerschaft für seinen Verlag nicht. Und die Kritik in der ARD-Sendung habe für ihn das Fass zum Überlaufen gebracht. „Sie behandeln Menschen wie Ware. Menschen, die in eine Notlage geraten sind, die Arbeit dringend brauchen.“, schreibt er dem Amazon-Boss. Und die unfaire Behandlung habe Methode: „Diese Menschen (...) behandeln Sie mit genauso unfairen Praktiken, die Sie schon uns haben angedeihen lassen.“ Einige Punkte führt er auf.

Schroer kritisiert:

  • unangebrachte Lagerkosten: Amazon verlange von kleinen Verlagen 50 Prozent Rabatt und 5 Prozent Lagerkosten – auch bei Durchlaufposten sind, die keien Lagerkosten verursachen.
  • Buchungstricks: Rechnungen an Amazon müssten von kleinen Zuilieferern ins Ausland geschickt werden, Amazon maximiere mit Buchungstricks bei der Umsatzsteuer seinen Gewinn.
  • Überzogene Skonto
  • Schlamperei mit Kommissionsware: Auf Kommission an Amazon gelieferte Ware würden als Remittenden zurückgeschickt, nachdem sie bei Amazon nicht pfleglich behandelt und dort beschädigt worden sein. „Gestern habe ich ein Buch zurückbekommen, dass offenbar im Nassen gelegen hat.“
  • Neue, frisch angelieferte Titel tauchten in Amazons eigenem „Marketplace“ als Mängelexemplare auf.

Schroer schließt seinen Brief: „Eigentlich sind wir froh darüber, einen so schwierigen Geschäftspartner los zu sein.“

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)