Berlin

Mit „Plan A2“ den Vorsprung verspielt? Klöckner-Pleite schlägt auch in Berlin ein

Malu Dreyer (SPD) und Julia Klöckner geben sich die Hand
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD, links) und Julia Klöckner (CDU). Foto: Uwe Anspach

Schweigen und leise Flüche in der Berliner CDU-Zentrale, als die ersten Prognosen über die Bildschirme laufen. 27,5 Prozent für die CDU in Baden-Württemberg sind ein Riesenschock. Ein erstes Raunen geht durch den Saal im Konrad-Adenauer-Haus. Doch dabei bleibt es nicht.

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Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann

Knapp 33 Prozent für die rheinland-pfälzische CDU und ihre Spitzenkandidatin Julia Klöckner sind ebenfalls ein echter Tiefschlag. Bis zu diesem Wahlabend war die 43-Jährige aus Guldental eine Hoffnungsträgerin – auch für die Bundes-CDU. Doch auch im zweiten Anlauf ist es ihr nun nicht gelungen, die SPD im einstigen CDU-Stammland Rheinland-Pfalz als stärkste Kraft abzulösen.

Die offiziellen Erklärungsversuche ihrer Parteifreunde sind noch freundlich, attestieren Klöckner einen furiosen Wahlkampf, sehen das Ergebnis in der persönlichen Beliebtheit von Regierungschefin Malu Dreyer begründet. „Julia Klöckner hat einen ausgezeichneten Wahlkampf gemacht“, sagt der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, immer wieder in die Kameras. Viel Parteiprominenz lässt sich bei der Berliner Wahlparty aber gar nicht erst blicken.

Die Basis bewertet es anders. Helmut Reichardt, langjähriges Berliner CDU-Mitglied, sieht „viele Fehler“ bei Klöckner. Sie hätte zuletzt mit ihrem eigenen Plan A2 in der Flüchtlingspolitik ihren Vorsprung verspielt. „Sie hätte nicht versuchen dürfen, sich auf Kosten der Bundesregierung zu profilieren“, meint er. An der CDU-Basis schätzt man Illoyalität ganz und gar nicht. Und als solche haben offenbar viele Klöckners Abgrenzungsversuche zur Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin verstanden. CDU-Generalsekretär Peter Tauber meint, es sei noch zu früh, Klöckners Kurs als Fehler zu bezeichnen. Man müsste sich die Zahlen in den nächsten Tagen noch genauer anschauen.

Klöckner selbst kann das Ergebnis nur als herbe Niederlage verstehen. Noch im November lag die CDU in Umfragen im Land bei 41 Prozent, die regierende SPD weit abgeschlagen bei 30 Prozent.

Nachdem Klöckner 2011 bei ihrem ersten Versuch, die SPD-Regierung zu stürzen, knapp gescheitert war, galt ein Erfolg 2016 lange fast schon als sicher. Klöckner hat Beachtliches geleistet, das hat ihr auch in Berlin viel Anerkennung gebracht. Plötzlich schaute man aus der Berliner Parteizentrale wieder auf den rheinland-pfälzischen Landesverband, von dem lange so gar nichts zu erwarten gewesen war. Klöckner stieg in den Bundesvorstand auf, bei den letzten Vorstandswahlen fuhr sie das beste Ergebnis unter den fünf Stellvertretern von Parteichefin Angela Merkel ein. Jung, dynamisch, zupackend – Klöckner gilt in der Union als Talent.

In den vergangenen sechs Jahren hat sie beharrlich ihren Landesverband umgekrempelt, aber sich auch auf bundespolitischer Ebene profiliert. Auf Bundesparteitagen bewies sie mit Forderungen nach einem Burka-Verbot, zuletzt mit einem Integrationspflichtgesetz einen guten Instinkt für umstrittene Themen. Sie schaffte das Kunststück, in Berlin als pragmatische Politikerin mit Interesse an schwarz-grünen Bündnissen zu gelten, während sie sich zu Hause mit den Grünen die schärfsten Auseinandersetzungen lieferte.

Klöckner galt lange aber auch als etwas zu wendig, bisweilen etwas oberflächlich. Gegen dieses Image hat sie in den vergangenen Jahren erfolgreich gearbeitet. Mehr Tiefe in den Themen, mehr Ruhe im Gespräch und ihr eigener Kurs in der Flüchtlingspolitik haben sie zuletzt sogar als mögliche Nachfolgerin von Angela Merkel ins Spiel gebracht.

Sie selbst war zwar immer selbstbewusst, hat in Hintergrundgesprächen solche Spekulationen aber stets glaubhaft zurückgewiesen. Sie müsste erst mal zeigen, dass sie in der Lage ist, ein Bundesland zu regieren. Vorher bräuchte man über nichts anderes zu sprechen. Die Gelegenheit dazu bekommt Klöckner nun wider Erwarten nicht.

Bevor sie in Rheinland-Pfalz 2011 Oppositionschefin wurde, war sie Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Bundesverbraucherministerium. Der Weg zurück in die Bundespolitik dürfte derzeit aber kaum eine Option sein. Der Stern von Julia Klöckner ist mit dem Ergebnis von diesem Sonntag in Berlin gesunken.