Frankfurt

Interview mit André Lieberberg: Der Ring ist eine Nummer für sich

Er ist der Macher hinter Rock am Ring: André Lieberberg.
Er ist der Macher hinter Rock am Ring: André Lieberberg. Foto: Anke Hoffmann

Die letzten Eintrittskarten gingen am 17. Januar raus. Seitdem ist Rock am Ring ausverkauft. Wieder einmal. 85.000 Menschen werden am ersten Juni-Wochenende in die Eifel strömen, um am Nürburgring drei Tage lang ihre Lieblingsbands zu feiern. Der Macher hinter Rock am Ring, einem der größten Festivals der Nation, ist André Lieberberg (35). Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, wie ein modernes Festival aussehen muss, um Erfolg zu haben, und wieso der Nürburgring ein schwieriges Terrain für einen Veranstalter ist.

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Frankfurt – Die letzten Eintrittskarten gingen am 17. Januar raus. Seitdem ist Rock am Ring ausverkauft. Wieder einmal. 85.000 Menschen werden am ersten Juni-Wochenende in die Eifel strömen, um am Nürburgring drei Tage lang ihre Lieblingsbands zu feiern. Der Macher hinter Rock am Ring, einem der größten Festivals der Nation, ist André Lieberberg (35). Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, wie ein modernes Festival aussehen muss, um Erfolg zu haben, und wieso der Nürburgring ein schwieriges Terrain für einen Veranstalter ist.

Herr Lieberberg, Rock am Ring ist seit 2007 jährlich im Vorverkauf ausverkauft. Was denken Sie: Worin liegt dieser Zulauf begründet?

Er liegt sicherlich in der Historie des Festivals begründet. Es gab immer Jahre, die hervorragend verkauft waren, und manche weniger. Allerdings haben mein Bruder, mein Vater und ich 2003 entschieden, das Programm künftig jünger, moderner und auch etwas härter zu gestalten. Das hat uns viele neue Festivalfans gebracht. Auch dank der fantastischen TV-Übertragungen haben zahlreiche Leute über die Jahre erfahren, was Rock am Ring ausmacht: die Musik, die Stimmung, die Sicherheit und die gute Logistik. Dafür war die Entscheidung wichtig, das Festival programmatisch zu modernisieren. Wir wollten ein Programm schaffen, das aktuelle Strömungen aus Rock, Pop, Indie, Elektronik und Alternative vereint. Mit diesem Ansatz ließen sich traditionelle Headliner aus der Generation von Neil Young oder Santana nur in Ausnahmefällen vereinen. Dies hat dazu beigetragen, dass Rock am Ring seinen Status als eines der besten und größten Festivals behaupten und ausbauen konnte. Unterm Strich trägt sowohl die Arbeit der Vorjahre als auch die Weiterentwicklung zum Ausverkauf seit 2007 bei.

Wie sehr muss man ein Programm öffnen, um erfolgreich zu bleiben?

Was die Spitze unseres Programms angeht, mussten wir es in diesem Jahr nicht so sehr öffnen: Künstler wie Metallica und die Toten Hosen, die schon jahrelang hier auftreten, sind zwar keine neuen Bands. Aber sie sprechen nach wie vor auch ein jüngeres Publikum an und bringen das gesamte Festivalpublikum zum rocken. Tatsächlich aber hatte Rock am Ring schon immer ein offenes Format. Auch Marek (Lieberberg, André Lieberbergs Vater und Gründer des Festivals, die Red.) hat immer versucht, eine workshopartige Mischung aus Rock und Pop für den Ring zu buchen. Selbst wenn der Schwerpunkt des Festivals nach wie vor auf gitarrenlastiger Musik liegt: Wir sind offen dafür, andere Formate und Strömungen einfließen zu lassen. Wir wollen gute Musik präsentieren, die kann auch elektronisch oder urban sein. Es ist ein Ausdruck des Zeitgeists, verschiedene Stile zu hören, zu feiern und nicht mehr in starren Genreunterscheidungen zu denken.

Kommen die alten Festivalgänger trotzdem noch?

Das Festival war in diesem Jahr so schnell ausverkauft, dass ich vermute, dass die Mischung von alten und jüngeren Besuchern dieses Mal besonders groß ist. Mit Metallica und den Toten Hosen treten legendäre Headliner auf, die darüber hinaus in diesem Jahr besondere Shows auffahren werden. Metallica spielt unter anderem das „Black Album“ in seiner Ganzheit, die Hosen feiern am Ring ihr 30-jähriges Bestehen. Diese Bands, gepaart mit Acts wie Gossip, Deichkind, Tenacious D oder Skrillex, bringen wohl tatsächlich in diesem Jahr unterschiedliche Fans zu uns.

Wie stellen Sie das Line-up zusammen?

Wir arbeiten im Team. Unsere Booker und ich selbst sind permanent im Austausch mit Bandmanagern, Agenten, Plattenfirmen, Medienvertretern und mit Fans. Auch die Online-Recherche verschafft uns einen guten Überblick, welche Künstler im Kommen sind. So entsteht ein Gesamtbild, wer wichtig für die Festivals sein könnte und verfügbar ist. Wir buchen immer zuerst die sechs Headliner für die drei Tage auf den beiden Hauptbühnen. Daran orientiert sich das Programm, das unter ihnen stattfindet. Der ganze Spielplan ergibt sich über Monate – die Headliner versuche ich, in den ersten zwei Monaten nach dem Festival für das nächste Jahr zu buchen.

So früh?

Ich bin jetzt in den Verhandlungen für 2013. Ich will immer schnellstmöglich die Abschlüsse für die wichtigsten Bands erzielen. Sind die Hauptacts verpflichtet, so können wir zielgerichtet und zügig das restliche Programm bauen.

Ist das Festival vom legendären Ruf der Rennstrecke abhängig?

Für den Fan ist der Ausflug zum Ring und auf die Rennstrecke ein besonderes Erlebnis. Diese emotionale Verbindung zum Gelände ist ein Alleinstellungsmerkmal von Rock am Ring. Insofern ist die Rennstrecke fürs Festival wichtig, auch wenn die Marke Rock am Ring für sich steht. Wir könnten das Festival an anderer Stelle mit der gleichen musikalischen Qualität aufbauen. Das ist aber nicht unser Ziel. Das Gelände ist ja auch für uns emotional besetzt, selbst wenn es aus Veranstaltersicht ein schwieriges Terrain ist. Die Campingplätze sind in Parzellen unterteilt, die sich über etliche Quadratkilometer rund um die Strecke verteilen. Das macht die Logistik extrem komplex und kostenintensiv.

Inwiefern?

Die vielen Campingplätze müssen jeweils individuell an die Topografie angepasst werden. Normalerweise hat man neben dem Infield, also dem Platz auf dem die Bühnen stehen, in unmittelbarer Nähe ein entsprechend größeres Areal, auf dem gecampt werden kann. Diese Gegebenheiten haben wir am Ring nicht. Natürlich ist das Gelände kultig, und wir sind mittlerweile sehr gut mit der Location und der notwendigen Vorbereitung vertraut. Zusätzlich zu diesen Ringspezifischen Besonderheiten kann auch das Wetter eine Belastung sein. Das ist in der Eifel ja eine Spur intensiver: Starkregen, heftige Winde und aus dem Nichts auftretende Unwetter stellen die Liebe zum Ring manchmal auf eine harte Probe.

Verfolgen Sie die politischen Diskussionen um den Nürburgring?

Das tun wir, aber es liegt nicht an uns, sie zu bewerten. Solange der Platz verfügbar ist, bespielbar ist und man sich um Verbesserungen für das Festival bemüht, spielen die Entwicklungen für uns keine Rolle. Die Marke und gerade das Erlebnis Rock am Ring stehen hier außen vor. Ich sage aber auch, dass jede den Ring wirtschaftlich schwächende Veränderung nicht gut für den Standort des Festivals ist. Wenn der Ring nicht mehr bespielbar wäre, müssten wir uns eine Alternative überlegen. Aber das ist weder das Ziel, noch haben wir Interesse daran, einen anderen Standort anzudenken, solange der Ring für uns, die Künstler und Fans in der bisherigen Form bespielbar bleibt.

Wie erleben Sie das Festival?

Die drei Tage bedeuten für mich angespanntes Treibenlassen und Beobachten und, wo nötig, Eingreifen. Neben Presseterminen, dem Austausch mit den Bands und ihren Mitarbeitern ist ein reibungsloser und friedlicher Ablauf für uns und die Besucher das Wichtigste und Grundvorrausetzung für ein gelungenes Festivalwochenende. Insofern geht es darum, die Dinge während des Festivals – wo notwendig – zu optimieren. Meistens bleiben einem kaum länger als 15 Minuten, um ein potenziell auftauchendes Problem zu lösen.

Konzertveranstaltern der alten Schule haftet ein Hauch der wilden Rock -'n'- Roll-Ära an. Kann sich dieser Effekt auch bei Ihnen einstellen?

Eher nicht, das hängt auch immer von der Persönlichkeit ab. Zum Glück konnte ich früh lernen, was es heißt, als Veranstalter zu arbeiten – nämlich sich nicht unnötig in Szene zu setzen. Marek war es wichtig, uns zu vermitteln, dass unser Job harte Arbeit ist, dass der Künstler im Vordergrund steht, ohne dabei die Kreativität der eigenen Arbeit zu vernachlässigen. Natürlich gibt es noch Musiker und Künstler, die für eine intensiveren Lebensstil anfällig sind. Aber um schwindende Verkäufe aus dem Tonträgergeschäft durch Einnahmen im Livebereich zu kompensieren, sind die meisten Künstler und ihr Umfeld verantwortungsbewusst, sowohl den Fans als auch den Veranstaltern gegenüber. Den meisten ist bewusst, dass der Rock-'n'-Roll-Exzess nicht allzu lange gut geht.

Wie kommen Sie nach dem Festival runter?

Wenn ich Sonntagnacht oder Montagmorgen die Heimreise antrete, dann ist da schon noch so ein Rauschen nach den intensiven Tagen. Das dürfte den Fans ähnlich gehen. Man ist erst einmal erschöpft, auch mental, weil man sich über einen längeren Zeitraum einer großen Anspannung hingibt. Nach ein paar Tagen normalisiert sich aber alles.

Wer kommt 2013 zu Rock am Ring?

Das kann ich beim besten Willen noch nicht sagen. Wir arbeiten schon an verschiedenen internationalen und nationalen Headlinern. Ich würde gern etwas preisgeben, aber dann ginge der Überraschungseffekt verloren – wir haben schließlich auch noch Konkurrenz.

Das Gespräche führte Anke Hoffmann