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Mainz

Stadtschreiber: Ungewissheit behindert Integration

Gebürtiger Iraker, Wahlerberliner und in diesem Jahr auch Mainzer Stadtschreiber: Abbas Khider Foto: P. Hassiepen/Hanser Verlag
Gebürtiger Iraker, Wahlerberliner und in diesem Jahr auch Mainzer Stadtschreiber: Abbas Khider Foto: P. Hassiepen/Hanser Verlag

2000 kam Abbas Khider als Asylbewerber nach Deutschland – heute tritt er sein Amt als 33. Mainzer Stadtschreiber an. Ein Mann, der in vielerlei Hinsicht gut angekommen, ja eine vielbeachtete Stimme der deutschsprachigen Literatur geworden ist. Zum Ankommen gehört in seiner Biografie ganz wesentlich der Spracherwerb: Eigentlich war Schweden das Wunschziel Khiders, weil der Staat dort für Asylbewerber sofort – und im Gegensatz zu Deutschland kostenfrei – Sprachkurse anbot. Doch seine Flucht endete in Deutschland, und hier begann eine Laufbahn als Schriftsteller, die in diesem Jahr außer mit der Mainzer Stadtschreiberwürde auch mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet wird. Wir erreichten Khider auf dem Weg nach Mainz – und sprachen mit ihm über die Wichtigkeit des Spracherwerbs und Faktoren, die ihm und der Integration im Weg stehen.

Lesezeit: 4 Minuten
Herr Khider, viel wird diskutiert über Flüchtlinge, die in großer Zahl zu uns gekommen sind, wir reden über Unterkunft, Arbeitsmarkt, Religion – aber wenig über Kultur und Sprache. Wie erleben Sie das, wie haben Sie es selbst erlebt? Sprache spielt eine unheimlich große Rolle. Für mich war damals klar: Ich wollte ...
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Abbas Khider ist der 33. Mainzer Stadtschreiber

Mainz. Abbas Khider wird heute offiziell in sein Amt als Mainzer Stadtschreiber des Jahres 2017 eingeführt. Der 1973 in Bagdad geborene Autor ist der 33. Träger des renommierten Literaturpreises, der vom ZDF, von der Landeshauptstadt Mainz und 3sat vergeben wird.

Abbas Khider kennt sich aus mit Repression, mit Flucht und Vertreibung, mit Heimatlosigkeit und Hoffnungen auf ein neues Leben. Der deutsch-irakische Schriftsteller, der von Anfang an auf Deutsch schrieb, erzählt in einer „musikalischen und schlanken Sprache“, so die Jury des Mainzer Stadtschreiberpreises, „tragikomische, erschütternde und anrührende Geschichten von Menschen, die unter Verfolgung und Vertreibung leiden müssen. Er verleiht mit Sensibilität, Humor und Sympathie den Heimatlosen eine authentische, unüberhörbare Stimme.“

Khider wuchs in Bagdads Viertel „Saddam-City“ als Sohn eines Dattelhändlers auf. Als Abiturient wurde er wegen politischer Aktivitäten gegen das Regime Saddam Husseins verhaftet und von 1993 bis 1995 inhaftiert und gefoltert. Nach seiner Flucht aus dem Irak ersuchte er im Jahr 2000 Asyl in Deutschland. Von 2005 bis 2010 studierte er in München und Potsdam Literatur und Philosophie. Seit 2007 ist Khider deutscher Staatsbürger.

In seinem Romandebüt „Der falsche Inder“ (2008) verarbeitete er seine jahrelange Odyssee als Flüchtling. 2011 folgte der Roman „Die Orangen des Präsidenten“, in dem Khider ein erschütterndes Bild des Irak zwischen Gefängnishölle und behüteter Kindheitsidylle zeichnete. Mit „Brief in die Auberginenrepublik“ (2013) entwarf Khider ein vielstimmiges Panorama arabischer Zustände und Stimmen, während er eine stationenreiche Briefbeförderung aus dem Exil in die irakische Heimat verfolgt.

2016 erschien sein Roman „Ohrfeige“, der auf große Aufmerksamkeit bei Kritik und Lesern stieß. Khider schildert mit Sinn für Melancholie und Groteske, wie eine Gruppe von Asylbewerbern Anfang der 2000er Jahre in das Räderwerk einer absurden deutschen Bürokratie gerät.

Abbas Khider: „Ohrfeige“, Hanser, 224 S., 19,90 Euro

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